Andreas Arning (Jahrgang 1958) ist Leitender Spezialist im IBM Entwicklungslabor Böblingen. Er war u.a. in den Bereichen Unix, Data Mining und
Workflow-Entwicklung tätig. Er hatte an der Universität Stuttgart Informatik
studiert und hat später an der Universität Osnabrück promoviert. Als Interview-Partner vertritt Andreas Arning eine jüngere Generation als alle seine Vorgänger. Vor 30 Jahren hätte dieses Thema
in dieser Form überhaupt noch nicht diskutiert werden können. Über Teilaspekte
hätten nur Hardware-Kollegen Auskunft geben können.
Bertal
Dresen (BD):
Wir haben uns um 1982, also vor nunmehr 30 Jahren, in meiner Vorlesung
"Entwurf großer Systeme" an der Universität Stuttgart kennen gelernt.
Sie waren Student der Informatik und ich externer Lehrbeauftragter. Ich durfte
Ihnen das Diplomarbeitsthema stellen und ihre Diplomarbeit beurteilen. Nach
Beendigung des Studiums übernahmen Sie 1985 eine Stelle im Entwicklungsbereich
der IBM. Können Sie kurz Ihren Werdegang bei IBM beschreiben. Welches waren die
technisch interessantesten Aufgaben, an denen Sie mitwirkten?
Andreas
Arning (AA): Die
erste Herausforderung bestand darin, Unix Version V mit dem IBM
System/370-Großrechner zu verheiraten. Damals prallten hier noch Welten
aufeinander. Heute ist das Linux-System auf der unerschütterlichen
Großrechner-Hardware der IBM ein wichtiger Beitrag zur IT-Welt. Dann bekam ich
die Chance, in einem Grundlagenforschungsprojekt mitzuwirken. Dort durften wir
in einem frühen Stadium wissenschaftliche Spitzenforschung betreiben: das
inhaltliche Verstehen von natürlich-sprachlichem Text durch einen Computer mit
linguistischen und logischen Methoden (Projekt
LiLog).
Wenn man so will, haben wir dort einen erster Vorläufer des heutigen
Watson-Systems gebaut, zusammen mit fünf deutschen Universitäten, und ich
durfte die Implementierung leiten.
Als
Nächstes holten meine Kollegen und ich einen Data-Mining-Prototypen aus dem IBM
Forschungslabor Almaden in Kalifornien nach Deutschland, um ihn in kurzer Zeit
zur Produktreife zu bringen. Aktuell arbeite ich in der Entwicklung des WebSphere
Application Servers, wo wir es geschafft haben, die Entwicklungsverantwortung
für wichtige Komponenten dieses erfolgreichen Produktes nach Deutschland zu
holen.
BD: Wie ich erfahren
habe, haben Sie zwischen 1992 und 1996 an der Universität Osnabrück promoviert.
Was war Ihr Thema und wie kamen Sie auf Osnabrück? In welcher Beziehung stand
das Thema zu Ihrer Arbeit bei IBM?
AA: Als Belohnung für die
erfolgreich verlaufene Arbeit im Forschungsprojekt LiLog durfte ich für einige
Monate ein Forschungsthema meiner Wahl bearbeiten, an einer Universität meiner
Wahl. Ich hatte mich schon länger für Methoden der künstlichen Intelligenz
interessiert, war allerdings immer wieder verwundert, warum in diesem
Forschungsfeld eine entscheidende Trumpfkarte des Computers so hartnäckig nicht
ausgespielt wurde: die Fähigkeit, gigantische Datenmengen zu verarbeiten. Es
war stattdessen gängige Praxis, den Computer aus einer Handvoll Beispiele etwas
lernen zu lassen. Darüber hinaus wollte ich an etwas für die Praxis Nützlichem
arbeiten; so kam ich zu dem Thema meiner Doktorarbeit „Fehlersuche in großen
Datenmengen unter Verwendung der in den Daten vorhandenen Redundanz“. Und weil
ich zuvor schon mit 15 Professoren zusammengearbeitet hatte, konnte ich mir
auch noch den Lehrstuhl aussuchen, der besonderes Interesse an diesem Thema
hatte. Ich entschied mich für Osnabrück. Das Thema hatte auch in meiner
weiteren Arbeit einige Überlappung mit dem Gebiet „Data Mining“. Heute kennt
man dies auch unter dem Namen „Big Data“.
BD: In Ihrem
Profileintrag im sozialen Netz ‚LinkedIn‘ fielen mir die 17
erteilten Patente auf, die Sie alle einzeln auflisten. Weitere 11 sind
eingereicht. Die Anmeldungen erstrecken sich über die Zeit von 1986 bis 2010.
Einige stammen von Ihnen allein; die meisten von mehreren Erfindern. Was hat
Sie bewogen, so offen über Ihre Erfindungen zu reden? Gab es außer mir noch
Leute, die Sie direkt darauf ansprachen.
AA: Ja, im Laufe der Zeit
hat sich da so einiges angesammelt. Das Patentwesen in unserer Firma ist gut
organisiert: die Erfinder dürfen sich auf das Darstellen der Kernidee
konzentrieren, die Prior-Art-Suche und das Übertragen in Juristensprache und
natürlich die Anmeldungskosten werden von der IBM übernommen. Und wir werden
explizit ermutigt, eine Erfindung mit Kollegen zu diskutieren – wenn ein Kollege
in so einer Diskussion die Erfindung verbessern hilft und dadurch zum Miterfinder wird, bedeutet dies
beispielsweise bei den Prämien in der Regel keine Einbußen. Deshalb gibt es so
oft Erfindergemeinschaften. Man darf eine Person aber nur dann als Miterfinder
benennen, wenn sie auch etwas beigetragen hat.
In
unserer Firma gibt es einen Titel „Master Inventor“, der nach strengen Regeln
verliehen wird und außer der eigenen erfinderischen Tätigkeit vor allem das ‚‚Mentoring‘‘
honoriert. Diesen Titel muss man sich alle drei Jahre neu erwerben, und ich
darf ihn aktuell wieder für drei Jahre in meiner elektronischen Visitenkarte
führen. Da werde ich natürlich auch gelegentlich drauf angesprochen. Kurzum,
IBM ist ein guter Platz für Erfinder. Man wird hervorragend unterstützt.
BD: Wie Sie sicher
wissen, ist die Idee der Patentierung von Software nicht ganz
unumstritten. Ich selbst hatte mich in den 1980er Jahren dafür engagiert,
Kollegen innerhalb und außerhalb der IBM für diese vorher nur den
Hardware-Kollegen vertraute Denkweise zu gewinnen. Was hat Sie und ihre
Kollegen dazu bewogen, sich mit den Mühen der Patentierung zu belasten? Welche
Aspekte machten die meisten Schwierigkeiten? Ist es der ‚juristische Kram‘, wie
z.B. das Abstecken der Ansprüche (Claims)?
AA: Ja, es gibt zu dem
Thema Patentierung von Software ganz verschiedene Ansichten, an einem Ende des
Spektrums „Software ist für alle da“ (und sollte ohne Einschränkung für jeden
gratis sein), auf der anderen Seite schlagzeilenträchtige juristische
Patentstreitigkeiten großer Firmen. Die Firma IBM geht da einen ganz
pragmatischen Weg. Wir versuchen einfach, viele unserer Ideen durch Patente
abzusichern, um unsere Handlungsfreiheit zu behalten. Ein großes
Patent-Portfolio gibt uns da einige Sicherheit, und gleichzeitig sind wir
bemüht, in beiden Richtungen eine faire Lizenzpolitik zu betreiben sowohl
gegenüber größeren Firmen aber gerade auch gegenüber kleinen Firmen.
Zu den
Mühen der Patentierung: Es gibt in der Tat eine Hemmschwelle, denn die
Ausarbeitung einer Patentschrift in der eigenen juristischen Sprache hat sehr
wenig Verwandtschaft mit Software-Entwicklung. Aber Erfinder werden ̶ wie
schon erwähnt ̶ bei uns sehr gut unterstützt, und den ersten
Schubs geben dann manchmal die Master-Inventoren, nicht als Miterfinder,
sondern als Mentor.
Die meisten
Schwierigkeiten macht es erfahrungsgemäß, eine patentwürdige Lösung als solche
zu erkennen. Wenn man ein – scheinbar unlösbares – Problem irgendwann einmal
bezwungen hat, scheint einem die Lösung rückblickend manchmal geradezu trivial.
Um diesen Unterschied zu verdeutlichen, mag die Erfindung „Reißverschluss“
helfen. Das Prinzip des Reißverschlusses könnte ich gut genug erklären und
niederschreiben, so dass ihn jemand nach meinen Vorgaben produzieren könnte.
Ich könnte mir also den Reißverschluss rückblickend auch selbst ausdenken, da bin ich zuversichtlich.
Aber ich bin schon mit Reißschlüssen aufgewachsen, deshalb gilt das nicht! Erst
wenn ich mir dann – mit viel Mühe – eine Welt mit allen technischen
Errungenschaften nur eben ohne jeden Reißverschluss ausgemalt habe, wird mir
allmählich klar: nein, diese Erfindung wäre mir nicht eingefallen, sondern ich
wäre wie alle anderen mit Knöpfen und Klettverschlüssen zufrieden gewesen. Konkret:
es braucht einige Erfahrung und Respekt für erfinderische Leistungen anderer,
eine rückblickend gesehen einfache Lösung (eventuell patentierbar)
von einer naheliegenden Lösung (nicht patentierbar) zu unterscheiden. Auch hier
helfen bei uns die Master-Inventoren.
Schwierig
ist weiterhin, die Patentansprüche so zu formulieren, dass die nicht zu
allgemein sind (und damit durch den Stand der Technik schon vorweggenommen),
aber auch nicht zu speziell (d.h. mit leichter Änderung umgehbar und damit
wertlos). Aber auch hierbei wird der Erfinder nicht allein gelassen.
BD: Ihre Erfindungen sind – so scheint es mir ̶ alle
software-bezogen. Können Sie anhand eines ihrer Patente erklären, worin die so
genannte Erfindungshöhe besteht.
AA: Das US Patent 5715469, erteilt im Februar 1998, beschreibt ein Verfahren zur Rechtschreibprüfung, das ohne Lexikon auskommt.
Der erfinderische Schritt besteht darin, einen (vorzugsweise langen) Text mit
seiner Redundanz als Lexikon-Ersatz zu verwenden, während es Schreibfehler in
demselben Text sucht. Gleichzeitig geht dieses Verfahren die Problemstellung
„Schreibfehler finden“ von einer unkonventionellen Richtung an: Statt „Finde
alle Schreibfehler“ verfolgt das Verfahren ein unsinnig oder zumindest exotisch
erscheinendes Ziel, nämlich „Finde nur einen einzigen Schreibfehler, der aber
mit größter Sicherheit auch wirklich ein Fehler ist“. Dazu nimmt das Verfahren
die langen, besonders häufig vorkommenden Wörter aus dem Text her, baut in
diese künstlich Fehler ein, nach den üblicherweise vorkommenden Fehlermustern,
und sucht alle diese Variationen im Text. Den so ermittelten Kandidaten kann
man dann eine Wahrscheinlichkeit zuordnen, die ausdrückt, ob wir eher einen
wirklichen Fehler vorliegen haben oder eher einen falschen Alarm.
Natürlich muss man
sich dabei nicht auf den einen wahrscheinlichsten Fehlerkandidaten beschränken,
sondern man kann auch eine längere Liste erzeugen, in der sich dann allerdings,
je weiter man in der Liste von oben nach unten navigiert, zunehmend falsche
Alarme finden. Auf diese Weise kommt man dem sinnvolleren Ziel „Finde alle
Schreibfehler“ dann doch wieder näher. Das Verfahren funktioniert übrigens
tatsächlich: angewendet auf Ihren kompletten Blog sieht die Top 10 der
Ergebnisse so aus:
Dabei
habe ich die tatsächlichen Fehler mit '+' markiert, die ‚false alarms‘ durch
'-'. Um dies zu entscheiden, habe ich die links stehenden Zeichenketten im Text
gesucht und den Kontext berücksichtigt. In der äußeren rechten Spalte ist die
Wahrscheinlichkeit des Zutreffens angegeben. Das Verfahren findet ansonsten
noch die weiter unten angegebenen Fälle. Die ‚false alarms‘, die weiter unten
immer häufiger werden, habe ich dabei weggelassen.
Dieses Patent ist
übrigens inzwischen abgelaufen. Die Idee ist damit Allgemeingut und jeder darf
diese Idee implementieren und nutzen.
Eine Eigenschaft
dieser Erfindung ist charakteristisch für software-bezogene Erfindungen: rückblickend kann man sie ohne Einarbeitung in Elektronik oder
Mechanik verstehen. Es können also viele mitreden. Und wenn nun einer dabei
ist, der den kurzen Moment der Verblüffung vergessen hat („Rechtschreibprüfung
ohne Lexikon – wie kann das jemals funktionieren?“), kann wie beim
Reißverschluss wieder die Verwechslung zwischen „rückblickend einfach“ und
„naheliegend“ passieren. Die Konsequenz ist, dass Zweifel an der
Patentwürdigkeit laut werden. Aber mit diesem Risiko müssen alle Erfindungen,
nicht nur die software-bezogenen, nun
einmal leben.
BD: Worin liegen für
Sie persönlich der Reiz und der Wert des Erfindens? Gibt es finanzielle
Vergütungen? Welche Rolle spielt heute das deutsche Arbeitnehmererfindergesetz?
Treibt es kreative Firmen aus Deutschland weg?
AA: Schon als Kind habe ich große Ehrfurcht für
berühmte Erfinder empfunden, und am liebsten wollte ich auch einer von denen
werden. Nun ja, eine bahnbrechende Erfindung, die vielen Menschen nützt, ist
nicht jedem vergönnt, aber die Romantik schwingt auch bei kleinen Erfindungen
mit. Immerhin bekommt man von amtlicher Seite mit einiger Zuverlässigkeit
bescheinigt, dass man mit einer Idee der erste war. Außerdem gibt es in unserer
Firma schon für das Einreichen von Patenten eine Belohnung. Das ist besser für
die Erfinder, denn ob ein Anspruch nach dem Arbeitnehmererfindergesetz überhaupt besteht,
entscheidet sich oft erst Jahre später – wenn es wirklich zu einer Erteilung
kommt.
Das
Arbeitnehmererfindergesetz schreibt vor, den/die Erfinder angemessen an dem kommerziellen
Erfolg der Erfindung zu beteiligen. Der Gesetzgeber mutet den Unternehmen hier
aber nur einen sehr überschaubaren Betrag für die Erfindervergütung zu. Nach
meiner Einschätzung überwiegt der Anreiz für die Erfinder, kreativ zu sein, die
Kosten für die gesetzliche Erfindervergütung. Mit anderen Worten ausgedrückt,
würde ich folgendes vermuten: bevor dieses Gesetz eine Firma aus dem Land
vertreibt, weckt es vielleicht noch eher in einer Firma die schlummernde Kreativität. Aber belastbare
Zahlen habe ich für diese Vermutung nicht.
BD: Was wissen Sie über den Wert oder die Wirkung
Ihrer Erfindungen für die Firma? Wie wird Erfolg gemessen? Ist es nur die
Nutzung innerhalb der Firma IBM oder spielt auch der Wert für Lizenznehmer eine
Rolle?
AA: Da sprechen Sie einen sehr interessanten Aspekt an.
Der individuelle Beitrag eines Patentes zum Geschäftserfolg eines großen
Produktes ist naturgemäß sehr schwierig zu erfassen. Man findet sich
unmittelbar in Fragestellungen wie „welches Umsatzplus hat diese neu
eingebaute, patentierte Lösung dem Produkt beschert?“ Zwar kann man Umsatz oder
Umsatzplus noch leicht ermitteln, aber das Herunterbrechen auf eine von vielen
Neuerungen ist naturgemäß nicht einfach.
Dennoch nehmen wir genau diese Frage sehr ernst, und betrachten im Expertengremium jedes Patent im
Detail und entscheiden für jedes Patent seinen relativen Wert im Produkt sowie
sein Potential für etwaige Lizenznehmer. Und bei diesen Entscheidungen gilt
grundsätzlich: im Zweifel für den Erfinder. Allerdings ist auch zu bedenken,
dass ein Produkt, das vielleicht eine dreistellige Anzahl von Patenten
beinhaltet, nicht jeweils 10% seines Umsatzes an jeden beteiligten Erfinder
weitergeben kann. Auch hier hat man als Mentor eine Aufgabe, nämlich
unrealistische Vorstellungen von Erfindern zu dämpfen. Und wenn es zu
Lizenzübertragungen an andere Firmen kommt, stellen sich ähnliche Probleme,
denn oft werden gleich mehrere Patente auf einmal gehandelt, so dass es auch
hier schwerfällt, den individuellen Anteil eines einzelnen Patentes zu
ermitteln. Aber die Firma ist stets darauf bedacht, eine gerechte Lösung zu
finden.
BD: Gab es Kommentare oder gar Anfechtungen (engl.
litigations) für Ihre Patente? Wie sehr werden einzelne Erfindungen in der
Fachwelt diskutiert?
AA: Mir sind keine
Kommentare oder Anfechtungen für meine bestehenden Patente bekannt, dabei wäre
eine Anfechtung ja eher ein gutes Zeichen – zeigt sie doch, dass man eine
relevante Lösung aufgezeigt hat, die andere ohne Lizenznahme auch gerne
verwenden wollen. Anfechtungen vor Ablauf eines Patentverfahrens dagegen kenne
ich besser. Es passiert gelegentlich, dass ein Patentverfahren es nicht bis zur
Erteilung schafft, weil doch noch „Prior Art“ aufgetaucht ist, von denen wir
zur Zeit des Patentantrages keine Kenntnis hatten oder keine Kenntnis haben
konnten; das ist mir auch schon passiert.
BD: Wie Sie vielleicht wissen, war ich 15 Jahre lang Hauptherausgeber
einer deutschsprachigen Fachzeitschrift für Informatik.
AA: … die Zeitschrift „Informatik - Forschung und
Entwicklung“. Das habe ich in der Laudatio zu Ihrer Ernennung zum GI-Fellow
gelesen …
BD: Deshalb möchte ich
Sie fragen: Was halten Sie von der weitverbreiteten Meinung, dass Informatiker
mehr ans Publizieren in Fachzeitschriften denken sollten als ans Patentieren? Wie
viele Zeitschriften-Publikationen haben Sie? Welche Fachzeitschriften lesen Sie
regelmäßig? Wie glauben Sie herauszufinden, was geschützt ist?
AA: Eine Patentanmeldung ist eine gut sichtbare Form
der Publikation, mit einem wohldefinierten Review-Prozess. Und durch die
zusätzliche Schutzwirkung eignet sie sich auch für Themen, bei denen ohne diese
Schutzwirkung Fortschritte geheim bleiben müssten – weil die
Wettbewerbsfähigkeit einer Firma auf dem Spiel steht. Aber auch für Universitäten
kann sich eine Patentanmeldung lohnen. Dafür gibt es beeindruckende Beispiele.
Jede Patentschrift
wird übrigens nach 18 Monaten von Patentamt veröffentlicht, auch wenn das
Verfahren dann noch nicht abgeschlossen ist. Diese so genannten „Offenlegungsschriften“
bekommt man über das DEPATISnet. Sie dienen dazu, Fortschritte der
Öffentlichkeit zugänglich zu machen, und man kann sie wie andere Publikationen
zitieren und auf den Ergebnissen aufbauen.
Ich selbst habe in
meiner aktuellen Position vorwiegend mit technischen Detailfragen zu tun, wo
die Überlappung mit Themen in Fachzeitschriften nicht besonders hoch ist. Demzufolge
habe ich auch keine eigenen Publikationen in Fachzeitschriften. Aber ich lese
Fachzeitschriften gerne und regelmäßíg, speziell das „Informatik Spektrum“. Und
gelegentlich die Zeitschrift „Künstliche Intelligenz“.
Übrigens
gibt es noch eine interessante Art von Publikation, zu der ich auch beitrage.
Gelegentlich publizieren wir Erfindungen, für die wir keinen Patentschutz
anstreben, aber die wir trotzdem nutzen können wollen. Diese Ideen stellen wir
der Welt einfach so zur Verfügung, z.B. auf dem IBM-unabhängigen Portal ip.com. Durch die
Veröffentlichung werden diese Ideen zur „Prior Art“, und im Gegenzug können wir
sicher sein, dass niemand anders ein Schutzrecht für unsere Ideen bekommt und
dann gegen uns verwendet.
Damit sind wir
schon wieder bei dem Thema „Prior Art“ gelandet. In der Tat mache ich für jede
potentielle Patentidee eine erste Recherche selbst. Hier spielen ja nicht nur
andere Patenteinreichungen eine Rolle, sondern es sind alle Veröffentlichungen
relevant. Diese Recherche mache ich immer mit etwas Herzklopfen und dem
inständigen Wunsch, nichts zu finden. Aber diesen Schritt, so unangenehm er
ist, darf man einfach nicht weglassen. Denn je später im Verlauf eines
Patentverfahrens sich herausstellt, dass eine Idee nicht neu ist, umso mehr
unnötige Arbeit hat man geleistet – die man besser in eine andere Idee
investiert hätte.
BD: Vielen Dank für die ausführlichen Auskünfte!
Vielleicht hilft dies angehenden Informatikern und ihren Lehrern dieses Thema
etwas anders anzugehen als in der Vergangenheit.