Dienstag, 28. Oktober 2014

Kant und die augmentierte Vernunft

Die im Jahre 1787 erschienene Kritik der reinen Vernunft gilt als das bekannteste Werk des Königsberger Philosophen Immanuel Kant (1724-1804). Es hat seither viele deutsche und auch ausländische Denker beschäftigt. Kants über 200 Jahre alten Begriffe seien kurz erläutert: Die Vernunft ist das Vermögen, die Verstandeserkenntnis zu ordnen, also nach Prinzipien zu denken. Die reine Vernunft umfasst die Fähigkeit des menschlichen Denkens, Erkenntnisse ohne Rückgriff auf vorhergegangene sinnliche Erfahrung zu erlangen. Diese Erkenntnisse sind a priori, da ihre Wahrheit ohne Überprüfung in der Erfahrung feststellbar ist. Kant beantwortete mit der Schrift die Frage, was wir wissen können. Man nennt das auch Erkenntnistheorie. Das Wort Kritik ist als Analyse und Überprüfung zu verstehen, nicht als Herabsetzung.  

Da selbst Kant die reine Vernunft nicht für ausreichend hielt, folgte im Jahr darauf die Kritik der praktischen Vernunft. Er beantwortete mit dieser Schrift die Frage, was wir tun sollen. Dabei geht es um Moral und Ethik. Kant formulierte darin den bis heute berühmten kategorischen Imperativ. Fügen wir noch zwei Fragen hinzu, nämlich: Was dürfen wir hoffen und was ist der Mensch? Antworten zur ersten der beiden Fragen bezeichnet man als Metaphysik. Mit den vier Fragen ist ein vollständiger Bogen beschrieben für eine Tätigkeit, die man als Philosophieren bezeichnet. Genau von diesen vier Grundfragen lässt sich der Münsteraner Unternehmer, Physiker und Programmierer Jörg Friedrich leiten. Der Titel seines 2012 erschienenen Buches lautet Kritik der vernetzten Vernunft. Er stellt uns die Frage: Brauchen wir eine neue Philosophie aufgrund des Internets, eine spezielle Internet-Philosophie, und wenn ja, wie sähe sie aus? Statt nur über die vernetzte Vernunft will ich anhand des Buches von Friedrich genereller über angereicherte, also augmentierte Formen von Vernunft reflektieren. Einige zusätzliche Gedanken drängen sich auf. 

Erkenntnistheorie

Die reine Vernunft (im Sinne Kants) gestattet es uns zu denken. Das Denken befasst sich primär mit Sachverhalten, die wir wissen oder wissen möchten. Das, was wir als Wissen bezeichnen, sind (größtenteils nur) Überzeugungen, für die wir Gründe angeben können oder die nicht sinnvoll bezweifelt werden können. Bezüglich des eigenen Wissens kann man sich irren. Auch ist man sich über den Grund seiner Überzeugungen (sein Überzeugungsnetz) nicht immer genau bewusst. Das Wissen anderer Menschen kann man anzweifeln, gemeint ist dessen Wahrheitsgehalt. Wer es tut, muss dafür Gründe angeben. Alle Aussagen über die Zukunft sind unsicher, da man kein Erfahrungswissen benutzen kann.

Unser Wissen hängt davon ab, was der Einzelne bzw. die Menschheit als Ganzes kann, d.h. was man technisch beherrscht. Technik ist alles, was Menschen gut können. Sie ist nicht von Gerätschaften abhängig, wie etwa die Atem- oder Lauftechnik. Unser eigenes Gedächtnis ist trügerisch. Man kann es jedoch auslagern. Nur benötigt man eine Brücke, um zu den Daten zu gelangen. Zwischen den Dingen sowie zwischen den Dingen und uns befindet sich ein mehrdimensionales Netz. Es verbindet in örtlicher, zeitlicher und logischer Hinsicht. Wie im Englischen sollte man unterscheiden zwischen einem Netz (engl. net) und einem Gewebe (engl. web, dt. Spinnweb). Im Netz gibt es Knoten und Ordnung, im Gewebe nicht. Unser Schulwissen ist immer (zuerst) ein Netz. Es entpuppt sich jedoch im Laufe des Lebens zum Gewebe. Das Gewebe und ihr zugänglicher Inhalt wachsen und schrumpfen, je nach Nutzung. Schreibt man ein Buch, ist man gezwungen, das Gewebe als Fäden darzustellen. Es entsteht ein lineares, eindimensionales Abbild. 

Um die Realität zu beschreiben, werfen wir ein Netz von Begriffen über sie. Da die Realität komplex ist, speichern wir (möglichst) nur Idealbilder. Das ist keine Schwäche des Menschen, sondern pure Notwendigkeit. Es reduziert die Komplexität. Die Wissenschaft arbeitet nur mit Idealbildern. Auch die Technik versucht immer ideale Dinge herzustellen, kann es jedoch nicht. Die Welt, die ein Mensch sich vorstellt, ist nicht die Realität, sondern nur ein Bild derselben. Es kann ein Idealbild sein. Von der Realität wissen wir nur, dass es sie gibt. Ein Wissenschaftler erforscht die Realität, indem er Bestätigungen für sein Weltbild sucht. Begriffe haben wir nicht ererbt. Sie müssen erlernt werden. Sie ändern sich und bilden sich neu. Man kann heute nicht mehr sagen, dass die Vernunft im Gehirn zuhause sei. Das Gehirn kontrolliert nur die Enden von Fasern, an denen unser Wissen hängt. Die Masse unseres Wissens residiert in einem Netz bzw. Gewebe, das wir Gedächtnis nennen. Wir benutzen auch externe Gedächtnisse, etwa Bücher oder das Internet. 

Soweit der Physiker Friedrich. Hätte er sich etwas mit Biologie befasst, wüsste er, dass kein Mensch mit a-priori-Wissen auf die Welt kommt. Es ist ausschließlich eine Folge der persönlichen Historie, welches Wissen er erwirbt oder wieder vergisst. Ich halte es für übertrieben im Internet viel mehr zu sehen als Bücher, Filme und Zeitungen, die schnell, billig und an vielen Orten gleichzeitig verfügbar sind. Abgesehen vom (teilweise künstlich erzeugten) Gefühl der Allgegenwart, Gleichzeitigkeit und Kostenlosigkeit ist es nichts grundsätzlich Neues. Das Internet als ein einziges großes Buch anzusehen, ist zu optimistisch. Man muss nämlich zwischen den Inhalten nach Sprache unterscheiden, es sei denn man nimmt an, dass alles bei Bedarf übersetzt wird. Noch ist der größte Teil in Englisch. Bald wird jedoch Mandarin, also Pekinger Chinesisch, den ersten Platz einnehmen. Es ist verdammt wenig, was ein Mensch ohne Zugriff auf Wissen, also ohne Inhalte, denken kann. 

Ethik

Die praktische Vernunft (im Sinne Kants) sagt uns, wie wir handeln sollen. Unser Handeln wird von einer Hierarchie der Gewissheiten und des Glaubens bestimmt. Mit einer Kultur hat sich die vernetzte Vernunft ein Zuhause geschaffen. Der Wilde ist unberechenbar aus Sicht der vernetzten Vernunft. Ein Troll ist jemand, der sich keiner Kultur fügt, auch nicht der Internet-Kultur.  

Das Handeln des Einzelnen wird durch die Technik(en) bestimmt, die er beherrscht. Sobald man weiß, was man kann, muss man sich entscheiden, was man will. Meist schwankt man zwischen konkurrierenden Anreizen. Man handelt vernünftig, wenn man die Gründe für das Handeln angeben kann. Für das Erlernen neuer Handlungsmöglichkeiten sind wir auf andere Menschen angewiesen. Eine Gemeinschaft (Familie, Verein, Unternehmen, Kirche, Partei oder Staat), in der man lebt, definiert, was als Gemeinwohl gilt. Oft ist das Gemeinwohl das, was die Gemeinschaft stabil hält. Die Gemeinschaft kann Gesetze erlassen, die aber nicht mit Naturgesetzen vergleichbar sind. Basisdemokratische Bewegungen, wie die Flash mops im Internet, sind meist richtungslos. Politisches Handeln ohne Leiblichkeit, d.h. Kontakt zu realen Menschen, macht wenig Sinn. Die Pflichten in der Gesellschaft werden immer mehr verwässert. Deshalb gewinnt unser Gewissen an Bedeutung. Es urteilt intuitiv, also ohne Begründung. Es wurde durch die Kultur geformt, in der wir entscheidende Phasen unseres Werdegangs verbracht haben. Man kann darauf vertrauen, dass das Gewissen anderer Menschen meinem ähnelt, sofern sie aus derselben Kultur stammen. Die Unerträglichkeit der Verhältnisse oder die Sehnsucht nach Neuem können zum Bruch mit der vernetzten Vernunft führen, ja zu Revolutionen.  

Soviel über Ethik von einem Unternehmer namens Friedrich. Mit dem Begriff des Gewissens scheint er sich nicht recht wohl zu fühlen. Es gilt heute als eine Art von Rückzugsraum des Individuums. Der Antrag auf Kriegsdienstverweigerung von Jürgen Trittin wurde seinerzeit abgelehnt, weil er nur politische Gründe, aber keine Gewissensgründe vorbrachte. Ein sehr akutes ethisches Problem, das der Autor nicht erwähnt, ist zum Beispiel die Frage der Priorität von Menschenrecht vor Völkerrecht. Im Kosovo-Konflikt argumentierte Joschka Fischer für das Menschenrecht. Im Syrienkonflikt verhinderten China und Russland eine Beendigung des Einsatzes von Giftgas gegen das eigene Volk. Sie führten das Völkerrecht ins Feld, ein Recht, das es seit dem Westfälischen Frieden von 1648 gibt. 

Metaphysik

Es gehört heute zu den Aufgaben der Wissenschaft, sich der größten Erzählungen der Menschheit anzunehmen, so der Entstehung des Alls und des Lebens. Sie tut sich recht schwer dabei. Oft wird gefordert, dass man die Folgen neuer Technologien im Voraus abschätzen sollte. Leider kann man dabei nur empirisch vorgehen. Ein Paradies zu erwarten, wäre unsinnig. Jede Technik, von der wir Vorteile erwarten, hat andere Probleme zur Folge. Oft ist es eine Frage des Temperaments, ob man zum Fortschrittsucher tendiert, oder zum ewig Leidertragenden.  

Nicht nur bei Jörg Friedrich hat es die Metaphysik schwer. Nach den Schamanen verloren die Theologen die Unterstützung durch die Gesellschaft. Dass die Wissenschaft an ihre Stelle tritt, scheint nahezuliegen. Es ist aber noch nicht sicher, ob dies gut geht. Erste Zweifel regen sich. Mal ist es die Atomindustrie, die zum Umdenken zwingt, mal sind es die Utopisten wie Ray Kurzweil. Immer mehr Menschen machen von sich reden, für die Wissenschaft keine Rolle spielt oder gar Vorbehalte haben. Das können Christen sein, die Darwins Evolutionslehre bekämpfen, oder Islamisten, die das mittelalterliche Denken des Propheten Mohammed hochhalten. 

Was ist der Mensch?

Auch dieser Frage widmet Jörg Friedrich einige Seiten. Hat man ein Idealbild des Menschen vor Augen, so entspricht dies möglichst der Vorstellung, die man von sich selbst hat. Andere sehen eher den Wolf im Menschen oder ein anderes Rudeltier, das von Instinkten geleitet wird. Nicht der Verstand wird als kennzeichnend angesehen sondern die Gefühle. Das ist der Fall beim Amokläufer oder beim IS-Terroristen, beim Extremsportler am Himalaya oder dem randalierenden Hooligan. 

Überhaupt bereitet die Definition des Menschseins über seinen Verstand und seine Vernunft gewisse Schwierigkeiten. Auch vor 500 Jahren, also vor der Entdeckung der Vernunft während der so genannten Aufklärung, lebten in Europa Menschen. Dasselbe Attribut gilt für die heutigen Urwaldbewohner Brasiliens, und erst recht für alle Kinder und Demenzkranken. Was ist das wirklich Bestimmende des Menschen? Vielleicht der freie Wille oder das Bewusstsein? Sie zu definieren, würde ein weiteres Buch erfordern. Ansätze dafür findet man unter anderem in einem früheren Blogeintrag. 

Schlussbeobachtung

Es ist erfrischend zu sehen, wie viel man über wichtige Gebiete der Philosophie sagen kann, fast ohne Fremdworte zu verwenden. Auch kommt man mit der Nennung eines einzelnen Philosophen schon sehr weit. Die von Jörg Friedrich im Anhang erwähnte Hannah Arendt (1906-1975) entstammt einer Zeit, die Dinge erlebt hat, die Kant wohl nicht für möglich hielt. Sie spricht von der ‚Banalität des Bösen‘, nachdem sie 1961 in Jerusalem den Eichmann-Prozess verfolgt hatte. Zeitzeugen der Bluttaten von Ruanda und Srebenica mögen ähnlich über die Menschheit denken. Das Böse ist nicht dominierend, aber wegleugnen kann man es auch nicht. 

NB. Dem Rezensenten fielen die vier Karikaturen von Ute Hamelmann sofort ins Auge. Sie ist keine Unbekannte.


Am 1.11.2014 schrieb Hartmut Wedekind aus Darmstadt:


Kritik der vernetzten Vernunft à la Wedekind: Vorneweg ein Kant-Bildchen mit den berühmten drei "Instanzen ":   Vernunft,  Verstand,  Erfahrung. 
                                                                               c)
                                           a)                          <----------
                    Vernunft  ---------->  Verstand  ---------->  Erfahrung  
                         |      |                                            d)
                          -----
                            b)
 
Bedeutung 

a) Vernunft befasst sich mit dem Verstand und erteilt seinem Angestellten (KrV B 671) einen Auftrag, u.a. Bitte um mehr Präzision. Die Vernunft ist transsubjektiv, sie ist praktisch. Der Verstand ist theoretisch. 

b) Vernunft befasst sich mit sich selbst, kritisch (zurück auf ihre Grundlagen gehend), nicht dogmatisch (von oben herab) oder naiv (wie die Kinder). 

c) Erfahrung beeinflusst den Verstand. Sie ist gleichsam eine erste Quelle der verstandesmäßigen Erkenntnisse. 

d) Verstand, wenn er rein oder erfahrungsfrei ist,  beeinflusst aber auch aus sich die Erfahrung. Er übersteigt die Erfahrung. Die Rückkopplung ist typisch Kant: Wenn nicht gleich alle unsere Erkenntnis mit der Erfahrung anhebt (c), so entspringt  sie darum doch nicht eben alle aus Erfahrung  (d)  (Einleitung KrV)  d) ist z. B.  die netzgestaltende ISO-OSI/Abstraktionshierachie, die die Erfahrung mächtig beeinflusst. 

Prädikate (Eigenschaften) :

Vernunft : Sie ist ausspähend ( K. sagt spekulativ), weil ihre Erkenntnisse über die Erfahrung hinausreichen. Sie ist bloß regulative (regelnd),  

Verstand: Es könnte vieles gesagt werden. Wichtig für mich ist die Kantische Feststellung, dass der Verstand diskursiv ist, der Verstand redet, im Zweifel mit sich selbst. Die Anschauung ist intuitiv (sie schaut und redet nicht, Sammlerakivität)). Begriffe sind die Angelegenheit des Verstandes. Der Verstand ist durch Begriffe selbst Urheber der Erfahrung (B 127). Das stützt  nochmals den Pfeil d) 

Die Vernunft folgt Vernunftsbegriffen (Ideen). Der große Nachteil ist, dass solche Venunftsbegriffe kein Schema haben, d.h. ich kann keinen universellen Aspekt  angeben, wie man das bei Gegenständen der Erfahrung leicht tun kann

7 Kommentare:

  1. Heute schrieb Hartmut Wedekind aus Darmstadt:

    „Eine Kritik der vernetzten Vernunft“ ist ohne ein Herausstellen des Transzendenten im Sinne Kants nicht möglich. Das Transzendente ist halt die Abstraktion (worüber man streiten kann). Das Transzendente als Gegensatz zum Immanenten „schreit“ einem entgegen, wenn man die einschlägigen klassischen Texte liest. Kant war der Transzendental-Philosoph schlechthin. Ohne Transzendenz keine Kritik im Sinne Kants! Eine bloß immanente Kritik der vernetzten Vernunft geht nicht.

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    1. Vielleicht war das der Grund, warum mir diese philosophische Abhandlung so gut gefiel. Der Begriff 'Transzendenz' kam zum Glück nicht vor. Mit 'Idealbildern' hatte ich keinerlei Schwierigkeiten. Ich akzeptiere auch Sachverhalte, die unabhängig von den Erfahrungsmöglichkeiten einzelner Menschen existieren, ja unabhängig von der Erfahrung der gesamten Menschheit

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  2. Heute schrieb Peter Hiemann aus Zarsis in Tunsien:

    Meine Überzeugungen beruhen auf der Annahme, dass alle meine Aussagen, ob sie wahrnehmbare Sachverhalte oder erdachte abstrakte Gedanken repräsentieren, eine immanente Ursache haben: Sie sind das Resultat der in meinem Gehirn codierten Vorstellungen. Ich sehe kein Problem, dass andere Leute in diesem Sinn Aussagen über Vorstellungen machen, die auf deren Annahme beruhen, ihr Leben sei durch "transzendente Kräfte" (was immer das bedeutet) beeinflusst. Natürlich hat Kant seinen eigenen Vorstellungen Ausdruck verliehen. Meines Erachtens haben Kants Aussagen heute weniger Gewicht als zu seiner Zeit.

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  3. Um 18:00 Uhr lieferte Hartmut Wedekind einen Nachtrag:

    "Die Netze sind so, wie die vernetzte Vernunft sie sich einrichtet", Der Satz, bei Friedrich heraus gegriffen, stimmt so nicht.

    Man muss mit dem Wort "Vernunft" sorgfältig umgehen, was Philosophen (z.B. Mittelstraß) ja auch schon getan haben. Um den Ausdruck "Vernunft" wegen der Gefahren im Alltagsleben zu meiden, sagt man sinngleich "Transsubjektivität". Das ist sie wieder die Vorsilbe "Trans...". Wer im Subjektiven verharrt, kann nicht vernünftig sein. Man muss versuchen, ins Transsubjektive zu gelangen, was nicht immer einfach ist. Der Mensch mit seinen Erregungen ist in den seltensten Fällen transsubjektiv (vernünftig) , sondern höchst subjektiv, unvernünftig. In Facebook und Twitter steht sogar der helle Wahnsinn. Mit so etwas befasse ich mich (noch) nicht. Das ist Sozial-Psychologie und für Politiker von Interesse, die gewählt werden wollen, und permanent das Wort "vernünftig" im Munde haben. Safranski würde sagen: "Das Internet als ideologische Veranstaltung".

    Irgendwo schrieb ich: 'Der Mensch als "Medienkonsument mit seinen Erregungen" ist etwas ganz anderes als der Mensch als Handelnder in einer Organisation. Der eine ist verhaltensgetrieben, der andere sitzt in internationalen Prozessfolgen einer Ablauforganisation. Hier wird auch in Frankreich, trotz einer Anordnung der Académie française, Englisch gesprochen. Englisch ist nun mal die Sprache der globalisierten Welt.'

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    1. Ich teile voll die Auffassung von Jörg Friedrich, dass die Nutzer entscheiden, was im Internet Erfolg hat. Ein gutes Beispiel ist ‚Second Life‘. Es war einmal der Renner. Kein Mensch spricht noch davon. Hinzufügen möchte ich: Nutzer braucht man nicht zu fragen, was sie gerne haben möchten. Dabei kommt nichts Gescheites heraus. Die Kutscher möchten bessere Kutschen haben, die Autofans bessere Benzinautos. 'Erhaltende Innovationen' hieß dies anderswo.

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  4. Gestern schrieb Hans Diel aus Sindelfingen:

    bei dem Versuch der Diskussion zu folgen stelle ich fest, dass ich nicht verstehe was man unter Transzendenz eigentlich versteht. Können Sie mir helfen? Welche der folgenden Begriffe würde man als transzendent einordnen?

    [Tentative Antwort Bertal Dresen in Klammern: tr = transzendent, sl = sinnlich]

    1. Imaginäre Zahlen (Wurzel aus negativer Zahl) [tr]
    2. Virtuelle Teilchen, die Wahrscheinlichkeitsamplitude eines Teilchens [tr]
    3. das Gute, Böse, Glück, das Schöne, Gerechtigkeit [tr]
    4. Wenn gesagt wird, dass die Evolution einen Zweck oder ein Ziel hat (Mayfield) oder dass es für jede scheinbare Wahl beim Aufbau des Universums einen rationalen Grund geben muss (Leibniz), ist dann Zweck/Ziel/Grund etwas Transzendentes? [tr]
    5. Einstein: "Gott würfelt nicht." Nehmen wir mal an, dass Einstein damit nicht den Gott der Religionen im Sinn hatte, sondern irgendetwas anderes, X. Ist das (nicht) würfelnde X etwas Transzendentes? [tr]
    6. Die Naturgesetze [tr]
    7. Die "Instanz", die die Naturgesetze erschaffen hat.[tr]

    Bei 4, 5 und 7 bitte nicht die Aussagen selbst analysieren, sondern nur ob darin ein transzendentes Objekt angesprochen wird. Ich bin gespannt auf Ihre Antworten.

    [Ergänzung zu 2: Quantenpartikel am Doppelspalt [sl]; zu 3: Liebe, platonisch [tr], Liebe, leiblich [sl]; zu 6: Die Wirkung der Naturgesetze [sl]]

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  5. Heute schrieb Hartmut Wedekind aus Darmstadt:

    Ich werde transzendent (oder a priori = erfahrungsfrei), wenn ich für eine Aussage (Kant sagte noch "Urteil") keine empirische Begründung mehr finde, also die Aussage auch nicht mehr empirisch widerlegen kann. Transzendenz ist so gesehen ein Restbestand, der nach [Anwendung] aller Erfahrung zur Erklärung noch übrig bleibt. Man kann sich ja selber prüfen und fragen, woher weiß ich das? Aus Erfahrung oder nicht aus Erfahrung. Zentral ist nun der Erfahrungsbegriff. Es gibt nun zwei, elementar und modern, oder wissenschaftlich-theoretisch.

    (1) Einmal der elementare, aristotelische. Z.B. Ich "er-fahre" (wörtlich) mir mit dem Fahrrad den Odenwald. Aristoteles sprach vom Steuermann, der mit Erfahrung ein Schiff in den Hafen lenkt. Das deutsche Wort "Erfahrung" ist wunderschön mit seiner Leiblichkeit und verkleistert nicht den Leib wie das Wort "Empirie" das tut.

    (2) Dann der Physiker, der vor dem Bildschirm Messwerte verfolgt. Er hat immanent einen (empirischen) Begriffsapparat (Temperatur, Druck, Spannung, etc.) verfügbar. Ohne den Apparat würde er die Messwerte gar nicht verstehen. Man muss also immer schauen, welche immanenten Begriffe verfügbar sind und empirisch begründet werden.

    Was die Informatiker vor Bildschirmen treiben, ist samt und sonders ein Hantieren mit immanenten, empirisch begründbaren Begriffen, wie "Ablauf", "Unterprogrammaufruf", "kopieren", "Class"," Objektschema" etc.

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