Alle
andern Bindestrich-Fächer [außer Wirtschaftsinformatik] stellen nach meinem
Dafürhalten Schmalspur-Fächer dar. In einigen Fällen handelt es sich auch um
eine Abstimmung per Prüfungsordnung gegen eine als übertrieben empfundene
Mathematik-Belastung im regulären Informatikstudium. Ein Medizin-Informatiker
wird weder als Arzt voll akzeptiert, noch als Informatiker. Dasselbe gilt für
Geo-, Medien-, Verkehrs- und Verwaltungs-Informatiker. Niemand würde einem
Medien-Informatiker journalistische Fähigkeiten zutrauen. Früher gab es einmal
die Begriffe Hauptfach und Nebenfach. Sie fielen der Bologna-Reform zum Opfer.
Obwohl
ich auch heute noch zu dieser Aussage stehe, will ich im Folgenden das Fach
Medieninformatik näher beleuchten. Dabei will ich nicht nur das Studium allein
betrachten. Man muss auch an den Beruf denken, auf den es vorbereiten soll.
Von der
Medientechnik zur Medieninformatik
Die
Medien und speziell die neuen Medien, auch digitale Medien genannt, stehen sehr
stark im öffentlichen Bewusstsein. Viele Leute glauben, dass sie für
Demokratien, und mehr noch für Diktaturen, eine maßgebliche Rolle spielen.
Andere Leute fühlen sich übermäßig belästigt, ja manipuliert.
Denkt
man an Berufe und Ausbildung, so überwiegt die Beschäftigung mit der Medientechnik. Das ist ein sehr
weites Feld und lässt sich zum Beispiel in Druck-, Audio-, Foto-, Video- und
Übertragungstechnik aufteilen. Druck- und Verlagswesen gehört dazu, aber auch
Rundfunk und Fernsehen. Zum Berufsbild gehören handwerkliche, künstlerische, technische und
kaufmännische Aspekte. Anwendungen sind in der Unterhaltung, der Lehre, in der
Produktdokumentation und der Werbung. Dem gegenüber befasst sich Medienwissenschaft mit Fragestellungen,
wie der Rolle von Medien in der Gesellschaft oder für Einzelne. Es ist
bevorzugt eine sprach- und geisteswissenschaftliche Analyse von historischen
Entwicklungen. Der bekannte aber umstrittene Satz von Marshall McLuhan ‚The medium is the message‘ steht
stellvertretend für die nicht endende Diskussion um den Einfluss und die Wirkungsweise der
Medien.
Das
Verhältnis von Medientechnik zu Medienwissenschaft ist nicht unähnlich dem von
Informationstechnik ̶ heute vielfach mit Informatik gleichgesetzt ̶ und
der Informationswissenschaft. Die Medieninformatik
ist der Zugang zur Medientechnik mit den Methoden und Hilfsmitteln der
Informatik. Es ist ein Synonym für die Beschäftigung mit ‚neuen‘ Medien. Die
‚neuen‘ Medien sind vorwiegend computer-basiert oder computer-gesteuert und
werden vom Internet zusammengefasst und verstärkt.
Studium
der Medieninformatik
Der Bachelor-Studiengang von sechs Semestern
wird sowohl an Hochschulen (frühere FHs) als auch an Universitäten angeboten.
Die Zahl der Hochschulen überwiegt sogar sehr deutlich. Der Grund: Das Fach
wurde zuerst an Fachhochschulen (FHs) eingeführt, und zwar zuerst 1990 an der FH
Furtwangen im Schwarzwald. Die Universitäten zogen ̶ wie
so oft ̶
erst später nach. Obwohl einige Universitäten technische Fächer
stiefmütterlich behandeln, würde ich trotzdem zu einem Universitätsstudium
raten. Universitäten bieten eine ganz andere Atmosphäre, vor allen kann man
(ohne Klimmzüge) an einer Uni promovieren. Ein FH-Studium ist so gesehen eine
Sackgasse. Weitere allgemeine Angaben zum Studium bieten der Server Studieren.de und Medien-studieren.net.
Bei der
Suche nach möglichen Studienorten fällt auf, dass die großen technischen
Universitäten wie KIT Karlsruhe, TU München, TU Darmstadt und RWTH Aachen
fehlen. Zwei Gründe kann ich mir denken. Sie haben ohnehin genug
Informatik-Studenten, oder sie haben Schwierigkeiten, den journalistischen Teil
der Ausbildung anzubieten. Trotzdem würde ich einem Studienort den Vorzug
geben, wo eine starke Informatik-Kompetenz
vorhanden ist. Aufgrund einer oberflächlichen Recherche würde ich folgende
Rangordnung aufstellen:
- TU/FU Berlin: Eher sozialwissenschaftlich ausgerichtetes Studium, d.h., es geht um den Erwerb technikbezogener und gesellschaftsbezogener Kenntnisse und Fähigkeiten. Pluspunkte: starke Software-Gründerszene, interessante Stadt
- LMU München: Studieninhalte siehe unten. Pluspunkte: zwei gute Unis am Ort, interessante, aber teure Stadt
- Uni Saarbrücken: Die Anteile werden wie folgt angegeben: Informatik 42%, Digitale Medien 30%, Praktika und Projekte 11%, Mathematik 10%, Medienpsychologie 7%. Pluspunkte: gute allgemeine Informatik; Nähe zu Frankreich
- Uni Stuttgart: Der Studiengang Medieninformatik wird ab WS14/15 zum ersten Mal angeboten
- Uni Tübingen: Schwerpunkte: Human-Computer Interaction, Multimedia und Internet-Programmierung, Computergrafik
- Uni Regensburg: Das Studium wird nicht von einem Informatik-Institut angeboten. Außerdem: Stadt mit Geschichte, heute bayrische Provinz
- Teilgebiete der Informatik und der Mathematik, die identisch zu einem klassischen Informatik-Studium sind, z.B. Analysis, Programmierung, Rechnernetze (Anteil 55 %);
- Teilgebiete der Informatik und benachbarter Disziplinen, die einen besonderen Medienbezug haben, z.B. Multimediatechnik, Computergrafik (Anteil 25%);
- Ein Anwendungsfach mit Medienbezug aus einer ganz anderen Disziplin, z.B. Kommunikationswissenschaft, BWL, Kunst/Gestaltung, Psychologie (Anteil 20%).
Es wird
darauf hingewiesen, dass man neben der mathematisch-naturwissenschaftlichen
Begabung eine Befähigung für interdisziplinäres und kommunikatives Arbeiten
mitbringen muss. Man sollte persönliches Interesse an einem der
Anwendungsfächer, also sozialer Wirkung von Medien, betriebswirtschaftlichen
Zusammenhängen, Gestaltung von Medien oder dem Wechselspiel zwischen Menschen
und Maschinen) mitbringen. In der Medieninformatik liegt der Frauenanteil unter
den Studierenden bei über 40 %, und gerade die anwendungsbezogene und
gestalterische Ausrichtung des Studiums scheint Frauen
besonders anzuziehen.
Beruf
der Medieninformatikerin und des Medieninformatikers
Da ich
zurzeit keine Medieninformatiker in meinem Bekanntenkreis habe, kann ich nur
wiedergeben, was ich gelesen habe. Der bereits erwähnte Server Medien-studieren
schreibt:
Absolventen der Medieninformatik arbeiten in Multimedia- und Softwarehäusern, Netzwerk-Unternehmen und Sendeanstalten oder für aktuelle Plattformen als Medien-Systementwickler und -berater, Information Broker, Multimedia-Conceptioner, Online-Redakteure oder Screen-/Video-Designer. Die Tätigkeitsfelder reichen von Elektronischem Publizieren über Digitale Filmproduktion,3-D-Grafik-Programmierung, Telemedizin bis e-commerce.
Die LMU München ist weniger konkret. Sie gibt sogar zu, dass Absolventen oft außerhalb der Medienwelt Jobs bekamen, d.h. suchen mussten.
Die
Absolventen werden durch die praktisch-berufsorientierte und wissenschaftliche
Ausbildung auf ein breites Einsatzgebiet in Forschung, Wirtschaft, Industrie,
Handel, Verwaltung und dem Dienstleistungssektor vorbereitet. Mögliche
Arbeitgeber sind Multimedia-Firmen, Werbeagenturen, Softwarehäuser,
Telekommunikationsunternehmen, Rundfunkanstalten und Verlage, aber auch
Schulungs-, EDV-, Öffentlichkeits- und Vertriebsabteilungen der meisten
Unternehmen. Die Erfahrung bisheriger Absolventinnen und Absolventen hat
gezeigt, dass darüber hinaus auch Unternehmen aus ganz anderen
Industriebereichen, z.B. die Automobilindustrie im Bereich der Entwicklung von
Bedienkonzepten, an dem typischen Profil dieser Ausbildung interessiert sind
Das
erste Zitat ist teilweise nur eine Sammlung von modernen Schlagworten. Nach
meiner Meinung kommt es im Beruf darauf an, dass man etwas anbieten kann, was
andere nicht auch (alle) können. Ich mache viele der erwähnten Tätigkeiten heute
nebenher, und zwar ohne Ausbildung auf diesem Gebiet. Gut wäre es, wenn man
Leute kennen würde, die dieses Fach studiert haben und auch in ihm arbeiten.
Viele Leute arbeiten heute als Informatiker, obwohl sie etwas anderes studiert
haben.
Schlussfolgerung
Es ist
keine Frage, dass das Studium sehr interessant sein kann. Auch sind die
beruflichen Möglichkeiten nicht schlecht. Um der Gefahr vorzubeugen, dass man
im Wettbewerb um verantwortungsvolle Aufgaben stets Journalisten gegenüber den
Kürzeren zieht, würde ich zu einem Zweitstudium in Journalismus oder Politik raten.
Man muss dann nicht immer den Vorwurf einstecken, ‚nur ein Techniker‘ zu sein,
der von Journalismus oder Politik nichts versteht. Zweifellos eröffnet das
Studium viele berufliche Möglichkeiten, wo solide Informatik-Kenntnisse
erwünscht sind. Es könnte sein, dass diese Tätigkeiten finanziell attraktiver
sind als der Journalisten-Beruf.
Erinnern
möchte ich daran, dass Medieninformatiker genau wie Informatiker die Wahl haben, ob sie sich selbständig machen
oder sich anstellen lassen. Im Gegensatz zu den USA wird bei uns jedoch das
Gründen eigener Firmen nach dem Studium nicht unterstützt. Von Ausgründungen
während des Studiums wird sogar abgeraten.
Am 15.10.2014 schrieb Klaus Küspert aus Jena:
AntwortenLöschenGegen den vorletzten Satz ('im Gegensatz zu den USA...) muss ich allerdings heftig protestieren, Euer Ehren. Das ist heutzutage deutlich anders hier an der Uni Jena und bestimmt ist Jena dabei nicht allein. Diesbezüglich haben die Universitäten sich tatsächlich enorm weiterentwickelt in den letzten 10+ Jahren - stark!!
Soll ich's mal etwas darlegen oder ich bitte unsere Kollegen vom "Servicezentrum für Forschung und Transfer" um ein paar Sätze, die sind die Zuständigen bei uns und machen das gaaaanz engagiert. Ich selbst bin auch einer der "Gründungsbotschafter"/-pate an unserer Universität.
Meine Antwort (Bertal Dresen): Wie gut, dass ich auch einmal Unrecht habe!.
Ebenfalls am 15.10.2014 schrieb Otto Buchegger aus Tübingen:
AntwortenLöschenEhrlich gesagt bin ich froh, dass mich niemand mehr fragt, was man studieren soll. Ich wüsste nur Gemeinplätze, wie schau dir an, welches Personal die großen Firmen suchen etc...
Mit Journalismus habe ich mich etwas beschäftigt. Das ist ein Beruf, der sich so verändern wird, dass ich jedem nur abraten kann, ihn zu studieren. Die Journalisten wissen selbst nicht mehr, was ihre Zukunft sein wird. Die Lehre an den Unis kann höchstens die Geschichte des Journalismus vermitteln, aber sicher nicht seine Zukunft. Lediglich Public Relations scheint eine sichere Zukunft zu haben, alles andere steht zur Disposition.
Empfehlen kann ich aber jedem wirklich gut Englisch zu lernen, schon in jungen Jahren ein Netzwerk aufzubauen und zu pflegen, einige Zeit im Ausland zu verbringen, zu lernen, wie man sich selbstständig macht, dazu gehört auch eine kaufmännische Grundausbildung zu absolvieren und in alle Facetten der aktuellen Medientechnik rein zu schnuppern und sie selbst auszuprobieren.
Am 16.10.2014 schrieb Klaus Küspert aus Jena:
AntwortenLöschenDie Aussage, dass FHs eine Sackgasse darstellten hinsichtlich der Promotionsmöglichkeit, finde ich unpassend formuliert..
Für gute FH-Absolventen (Master) und in Absprache mit einem Universitätsdozenten stehen die fachlich einschlägigem Promotionstüren sperrangelweit offen. weil im Gegensatz zu früher keine Eingangshürden mehr errichtet werden. Wer also guten Master in akkreditiertem FH-Studiengang erworben hat und mitziehenden Uni-Dozenten hat, der ist ratz fatz Doktorand in jenem Fachgebiet
Leider ist mein Wissen schon über 15 Jahre alt. Hoffentlich sind die 'Promotionstüren' nicht nur in Jena etwas verbreitert worden.
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AntwortenLöschenin diesem Studiengang muss man ja auch viele Projektarbeiten erledigen.
Wenn man aber gut vorbeireitet ist (Tipps hier), wird es ja kein Problem.