Samstag, 30. Juni 2018

Rom wurde nicht an einem Tage erbaut

Dieser Spruch soll ausdrücken, dass ein so eindrucksvolles Gebilde wie das antike Rom einiger Zeit bedurfte, um zu entstehen. Meist denkt man dabei an das Bauwerk oder das Gemäuer, also die physikalischen Ausprägungen dieser Stadt. Viel interessanter ist es, Rom oder das römische Imperium als geistig-politische Machtkonstruktion zu betrachten. Das machte unter anderem der Duisburger Althistoriker Wolfgang Blösel (*1969). Sein Buch Die römische Republik (2015, 304 S.) gibt dazu eine hervorragende Auskunft. Ich werde die wenigen Aspekte herausgreifen, wo man einen Bezug oder eine Ähnlichkeit zu heutigen Problemen vermuten könnte. Nur der Vergleich reizt. Es wäre übertrieben zu sagen, man könnte daraus etwas lernen, das uns heute weiterhilft. Bemerkt sei, dass alle Jahreszahlen ohne den Zusatz ‚vor Chr.‘ angeben sind.

Wille zum Überleben oder Wille zur Macht

Vielen neuzeitlichen Autoren scheint es vor allem der Verfall des imposanten Römerreich angetan zu haben. Sie suchen dafür Gründe und entwickeln eine Vielzahl von Theorien. Mir erscheint dagegen der Aufstieg die viel interessantere Phase zu sein. Warum hat es diese kleine Stadt in der Provinz Latium anstatt aller ähnlichen Städte geschafft, ein Weltreich zu gründen, das über Jahrhunderte Bestand hatte? Auch die Beantwortung dieser Frage erfordert viel Phantasie und hat diverse Thesen hervorgebracht. Oft wird dann vergangenes Geschehen anhand neuer Denkweisen und Begriffe interpretiert.

Sehr früh hat Rom seine so genannte Königszeit hinter sich gelassen. Dabei darf man sich diese Könige nicht wie feudale Herrscher vorstellen, sondern eher als Bandenführer (ital. condottiere). Sie kamen aus unterschiedlichen Orten und Gegenden. Das aus mehreren Dörfern zusammengewachsene Stadtgebiet schuf sich sehr früh (um 500) eine republikanische Verwaltungsstruktur. Sie als Demokratie zu bezeichnen, wäre falsch. Es war eher eine Mischform zwischen Oligarchie und Demokratie. Es gab die alten Familien, die Land besaßen, sowie deren Gesinde, die Handwerker und die vielen Besitzlosen. Diese zwei Gruppen nannte man Patrizier einerseits (also von Vätern abstammend) und Plebejer (lat. plebs) andererseits. Manchmal spricht man auch von Adeligen und gemeinem Volk. Nur wenige konnten aufsteigen. Es waren dies dann so genannte neue Männer (lat. homines novi). Das Maß an Verschuldung war oft extrem hoch. Im Falle einer totalen Zahlungsunfähigkeit konnte jemand als Sklave (‚über den Tiber‘) verkauft werden. Ansonsten entstammten Sklaven den häufigen Kriegszügen. Politisch spielten Frauen fast immer eine Nebenrolle.

Im Krieg waren die Patrizier beritten oder kämpften als Schwerbewaffnete (Hopliden), die Plebejer stellten nur Leichtbewaffnete. Lange herrschte unter Historikern die Meinung vor, dass Roms Angriffslust hauptsächlich aus purer Angst vor den Nachbarn und den vagabundierenden Galliern und Germanen erwuchs. Rom habe also vorwiegend Präventivkriege geführt. Das sieht Bloesel anders. Er sieht die Stärken Roms im Vergleich zu seinen Nachbarn und damit den Grund für seinen Aufstieg vor allem in drei Punkten: 
  • Eine auf Leistung und Wettbewerb ausgerichtete Oberschicht mit einem daraus resultierenden großen Reservoir an Führungskräften und Heerführern.
  • Einer geschickten Vertrags- oder Beherrschungsstrategie für nahe und entlegene Partner mit brutalen Strafen für Vertragsbrüche.
  • Einer enormen Ausdauer bei der Erreichung langfristiger Ziele.    
Auf diese drei Punkte wird im Folgenden zunächst kurz eingegangen. Dem schließen sich einige andere Bemerkungen an, die sich mir bei der Lektüre aufdrängten.

Aufstieg dank Familienbindung und Meritokratie

Zwischen 20 und 30 Familien (lat. gens, pl. gentes) bestimmten die Geschicke Roms. Beispiele waren die Cornelier, die Flavier und die Julier. Dabei wechselten diese sich ab, je nach dem wer gerade in der Lage war, öffentliche Ämter auszuüben. Neben dem Besitz spielte es eine Rolle, welche Beziehungen in der Stadt oder außerhalb man besaß. Hier konnten Eheschließungen (so wie später bei den Habsburgern) gezielt für politische Zwecke eingesetzt werden.

Für alle Ämter galt eine Reihenfolge, in der sie ausgeübt werden konnten. Es begann mit rein administrativen Aufgaben, stieg über richterliche zu den religiösen und militärischen. Die vorgeschriebene Laufbahn (lat. cursus honorum) führte vom Quästor über den Ädilen und Prätor zum Konsul. Ein Quästor war der Verwalter der Staatskasse und des Staatsarchivs. Der Ädil übte Polizeigewalt aus, beaufsichtigte Märkte und Feste und versorgte die Tempel. Der Prätor sprach Recht und vertrat die Konsuln. Zwei Konsuln bildeten die Spitze des Staates. Die Regeln der Republik bildeten sich im Laufe der Jahrhunderte heraus, wobei folgende Prinzipien von besonderer Bedeutung waren: 
  • Alle Ämter durften nur für ein Jahr ausgeübt werden (Annuitätsprinzip).
  • Zwischen zwei Ämtern musste ein ämterloser Zeitraum von zwei Jahren liegen (Bienniat).
  • Eine zweite Amtszeit war ausgeschlossen (Iterationsverbot).
  • Alle Ämter – mit Ausnahme der Diktatur – wurden von mindestens zwei Personen gleichzeitig besetzt (Kollegialität), die sich gegenseitig kontrollierten.
  • Wer ein Amt ausüben wollte, musste zuvor das nächstniedrigere Amt innegehabt haben.

In Krisenzeiten gab es für Konsuln und Senat die Möglichkeit, für ein halbes Jahr einen Diktator zu ernennen. Diesem unterstanden alle anderen Ämter. Eine ähnliche starke Stellung hatte der Volkstribun als Vertreter der Volksgemeinschaft (lat. populus). Alle Ämter wurden von der Legislative bestellt und kontrolliert. Diese bestand quasi aus zwei Häusern, dem Senat, der sich primär aus dem Adel rekrutierte, und der Volksversammlung (Komitie). Die Konsuln leiten die Sitzungen sowohl des Senat wie der Volksversammlung. Sie sprachen Recht, kontrollierten das Finanzwesen und leiteten das Heer. Als spezielle Voraussetzung für das Amt des Konsuls galt die vorherige Teilnahme an einer Mindestzahl von fünf bis acht Kriegszügen. Die Konsuln stammten in der Regel aus Adelsfamilien, einer konnte auch aus dem gemeinen Volk stammen.

Auf vielen Gebäuden im von Rom kontrollierten Staatsgebiet wurde auf diese Machtbalance voller Stolz hingewiesen. Es waren die vier Buchstaben S.P.Q.R., stehend für Senatus Populusque Romanus (deutsch: Senat und Volk Roms).

Römisches Staatssymbol

Die Ausübung eines Amtes wurde immer dann als Erfolg angesehen, wenn es den Ruhm des Trägers und damit den seiner Familie vermehrte. Die Taten und Leistungen eines Beamten oder eines Soldaten wurden akribisch erfasst und bewertet. So wurde nach einem Kriegszug festgehalten, wer als Erster die Mauerkrone einer feindlichen Stadt erklommen, einem Mitbürger das Leben gerettet oder dem Heer eine Niederlage erspart hatte. Als Folge dieser Meritokratie konnten Kriegshelden aus einfachen Verhältnissen anschließend Karriere machen. Ein Kriegsherr durfte einen Siegeszug feiern, und zwar immer nur dann, wenn er möglichst viele Feinde vernichtet hatte. Die Mindestgrenze lag bei 5000 gefangenen oder getöteten Feinden. Ähnliches galt für das Recht öffentliche Totenfeiern (Funebrien) für berühmte Familienmitglieder zu feiern. Historiker haben für die Zeit von 100 Jahren (367 bis 264) mehr als 67 Triumphzüge gezählt.

Bundesgenossen und Rivalen

Nach und nach wurden alle Stämme Süditaliens (auch Italiker genannt) als Bundesgenossen gewonnen. Sie konnten das römische Bürgerrecht erwerben oder sich durch Heirat mit römischen Familien verbinden. In Sizilien stieß man jedoch auf einen starken externen Gegner, nämlich Karthago. Dies führte zu einer längeren Auseinandersetzung, den drei punischen Kriegen.


Volksgruppen der Italiker

Das Gebiet nördlich der Linie Arno-Rubicon galt als Gallia cisalpina. Dort gründete Rom neue Siedlungen und Städte, die es mit Veteranen oder Bundesgenossen bevölkerte. In Spanien und Südfrankreich verließ man sich zunächst auf Vasallen, was aber nicht immer funktionierte. Die Vasallen sollten Tribut zahlen und ihr Gebiet stabil halten. Sobald sich die Einsicht verbreitete, dass indirekte Herrschaft nicht funktionierte, veranlasste dies die Römer Provinzen zu bilden, die sie selbst verwalteten.

Solche Schwierigkeiten bewogen Julius Caesar nach seiner Zeit als Konsul im transalpinen Gallien militärisch tätig zu werden. Er führte einen blutigen, acht Jahre dauernden Feldzug in Gallien (58-50). Er eroberte ganz Gallien für Rom. Britannien und das rechtsrheinische Germanien besuchte er je zweimal. In einem Buch Der Gallische Krieg (2017, 271 S.) von Markus Schauer, einem Bayreuther Althistoriker, welches ich vorher las, wurde Caesars Motivation ausführlich dargelegt. Sie bestand hauptsächlich darin, den Ruhm seiner Familie, der Julier, zu mehren. Dass er später mit dazu beitrug, die Republik zu zerstören und einer Monarchie den Weg zu bereiten, steht außer Frage.

Langfristige Orientierung und Ausdauer

Durch die oben erwähnte strenge zeitliche Beschränkung aller Regierungsämter sollte der Gefahr der Bereicherung im Amt gegengesteuert werden. Eine langfristige Kontinuität der Politik wurde dennoch dadurch gewährleistet, dass alle Senatoren auf Lebenszeit ernannt wurden. Das waren immerhin 300 angesehene und einflussreiche Persönlichkeiten. Als Ausdruck eines langfristigen Ziels ist zum Beispiel Catos berühmten Satz zu verstehen, den er in jeder Senatssitzung wiederholt haben soll, nämlich dass Karthago zerstört werden müsse (lat. ceterum censeo Carthaginem esse delendum). Portius Cato (234-149) war ein homo novus und diente 30 Jahre im Senat. Es benötigte über 100 Jahre (264-146) ehe das von Cato anvisierte Ziel erreicht war. Auch Caesar benötigte volle acht Jahre zur Bezwingung desselben Gebietes, in dem eine spätere Auseinandersetzung in sechs Wochen ablief und das Wort ‚Blitzkrieg‘ verwendet wurde.

Politischer Stil und gezielte Aktionen

Es steht außer Frage, dass die Oberschicht Roms sehr politisiert war. Dabei gingen Innen- und Außenpolitik fast nahtlos in einander über. Am Beispiel des Julius Caesar wird dies offensichtlich. Das bereits erwähnte Buch von Schauer ist hier eine gute Quelle.

Caesar hatte gerade sein Jahr als Konsul beendet, als er sich um einen militärischen Auftrag zur Befriedung einer Provinz bewarb. Fast zufällig fiel seine Wahl auf Gallien. Es war reich und lag nicht zu weit weg. Er konnte beliebig oft in Rom auftauchen und sich um die dort anstehenden Fragen kümmern. Er selbst war äußerst bemüht, dafür zu sorgen, dass seine Taten nicht ignoriert oder in falschem Licht erschienen. Deshalb diktierte er für jedes der ersten sieben Kriegsjahre einen Bericht. Das achte Kriegsjahr dokumentierte einer seiner Offiziere.


Römisches Imperium

Caesar erzählte nur das, was er für den Ruhm seines Namens und seiner Familie als hilfreich ansah. Er lobte seine Gegner über alle Maßen, da damit der Wert seiner Leistung stieg. Manchmal charakterisierte er sie als Bestien, einmal sogar als Kannibalen. Er erwähnte seine Offiziere kaum. Er schrieb in der dritten Person Singular (Caesar tat dieses, Caesar tat jenes). Er nannte das ganze Werk einen Kommentar, hoffend, dass das Material von andern Autoren verwendet würde, um daraus einen richtigen Geschichtstext zu erstellen. Nur war sein Latein so gut, dass sich niemand traute. Der Text gilt auch heute noch als die ideale Lektüre für Lateinschüler überall in der Welt. Er beschäftigte bis zu sieben oder acht Schreiber, denen er oft gleichzeitig unterschiedliche Texte diktierte. Freunde in Rom reproduzierten und verteilten das Material.

Soziale Spannungen und Konflikte

Als Beispiel eines auf sozialen Spannungen beruhenden Konflikts gilt das Schicksal der Gebrüder Gracchus. Der Volkstribun Tiberius Sempronius Gracchus ließ um 133 Land aus dem Gemeindebesitz (lat. ager publicus) an Proletarier verteilen. Jeder Großgrundbesitz, der über 125 Hektar hinausging, sollte von einer Kommission verteilt werden. Als der andere Volkstribun (Marcus Octavius) diese Reform per Veto verhinderte, ließ Gracchus ihn abwählen und das Ackergesetz von der Volksversammlung beschließen. Als er im Begriff stand, sich erneut zum Volkstribun wählen zu lassen, wurde er erschlagen.

Sein jüngerer Bruder Gaius Sempronius Gracchus hatte ähnliche Ziele wie sein Bruder. Auch ging es ihm darum, die Ehre seiner altadligen Familie wiederherzustellen. Er war quasi zur Rache verpflichtet. Zehn Jahre nach der Ermordung des Tiberius begann Gaius mit der Erneuerung des Ackergesetzes und mit der Versorgung der bedürftigen Stadtbevölkerung mit billigem Getreide. Wie bereits sein Bruder fand er keine Mehrheit im Senat. Es gelang diesem durch Demagogie seine Anhänger abspenstig zu machen. Es kam im Jahre 121 zu Straßenkämpfen, bei denen seine Gefolgsleute zu Hunderten erschlagen wurden. Er selbst ließ sich von einem Sklaven töten.

Die Gracchen wurden bereits in der Antike als Vorkämpfer des einfachen Volkes gefeiert. Nach Meinung der heutigen Althistoriker waren es jedoch ausschließlich Rivalitäten zwischen den Adelsfamilien, die hier zum Ausbruch kamen.

Demilitarisierung und Zerfall der Führungsschicht

Eine sich ausbreitende militärische Disqualifikation des Adels begann bereits nach dem zweiten Punischen Krieg (218-201). Auch waren die Verluste an Führungskräften in den Kämpfen sehr hoch. Der bereits erwähnte Cato beklagte, dass junge Adlige neuerdings mehr Wert auf Reden legten als auf militärische Taten. Durch die großen Gewinne, die in den Provinzen erzielt wurden, bildete sich ein Vermögensgefälle zwischen den dort Tätigen und den Daheimgebliebenen. Dank einer zunehmenden Spezialisierung auf Wein, Obst und Gemüse konnten einige Landbesitzer höhere Erträge erzielen als andere. Kleine Bauern verarmten, die Großbauern wurden reich.

Viele gebildete Römer huldigten der griechischen Kultur. Sie sprachen lieber Griechisch als Latein. Cato wehrte sich auch gegen den Einfluss der griechischen und persischen Welt. So gelang es ihm eine aus Athen angereiste griechische Philosophengruppe nach Hause zu schicken, bevor sie aufgetreten war.

Ende der Republik und Etablierung der Monarchie

Der Verfall der republikanischen Ordnung begann schrittweise. Lucius Cornelius Sulla (138-78) gab den ersten Anstoß. Als ihm die Befehlsgewalt entzogen werden sollte, begann er einen Marsch auf Rom. Sein Konkurrent Marius musste zunächst fliehen, kam jedoch zurück und vertrieb seinerseits Sulla. Nachdem Sulla in Griechenland neue Kräfte gesammelt hatte, unternahm er einen zweiten Marsch auf Rom (82). Dabei tötete er viele seiner Gegner und verschleuderte deren Landbesitz. Er beschnitt die Rechte der Volkstribunen und erhöhte die Zahl der Senatoren auf 600.

Als starker Mann profilierte sich Gnaes Pompeius (106-46) bei der Auslöschung des berühmten Spartacus-Aufstands. Anschließend befriedete er Kleinasien und eroberte Armenien und die Kolchis (das heutige Gebiet um Sotschi). Danach wurde er nach Rom gerufen, um die Verschwörung Catilinas zu bekämpfen (62). Der Senat verweigerte ihm die erwartete Ehrung. Auf Betreiben Caesars wurde darauf ein Triumvirat gebildet, bestehend aus Caesar, Pompeius und Crassus. Anschließend verbrachte Caesar seine acht Jahre in Gallien. Nachdem Crassus im Kampf gegen die Parther (52) gefallen war, erklärte sich Pompeius zum alleinigen Konsul. Er forderte Caesar auf, seine Provinzen abzugeben. Als dann der Senat verlangte, dass Caesar seine Truppen auflöste, überschritt dieser den Rubicon (49). Er zitierte dabei einen griechischen Dichter mit den Worten ‚Die Würfel sind geworfen‘ (lat. iacta sunt alea).

Pompeius und die Senatoren flohen aus Italien nach Griechenland. Nach Caesars Sieg über Pompeius (bei Pharsalos) floh dieser nach Alexandrien. Dort wurde er ermordet. Nach seiner Affäre mit der ägyptischen Königstochter Kleopatra, aus der ein Sohn mit Namen Kaisarion hervorging, ließ Caesar sich für 10 Jahre zum Diktator ernennen. Er besaß damals 34 Legionen (mit je bis zu 6000 Soldaten). Das bewog eine Gruppe im Senat, geführt von Brutus und Cassius, Caesar zu ermorden, und zwar an den Iden des März des Jahres 44. Caesars Freund Antonius hielt die Grabrede. Keiner der am Mord beteiligten wurde je angeklagt. Caesars Neffe Oktavian schaffte es dann doch, Caesars Mörder zu vernichten und sich selbst zum erhabenen Kaiser (lat. caesar augustus) aufzuschwingen. Er leitete eine längere Periode des Friedens ein. In diese Zeit fiel auch die Erhebung Triers zu einer Augustus-Stadt (lat. Augusta Treverorum).

Sonntag, 17. Juni 2018

Kalifornien bevor die Hippies kamen (August/September 1956)

Vorbemerkung: Nach einem Jahr als Austauschstudent in Ohio machten ein deutscher Studienkollege und ich eine 6-wöchige Reise durch den Westen der USA. Sie wurde im Zusammenhang mit andern Weltreisen ausführlich beschrieben. Im Folgenden wird der Ausschnitt wiedergeben, der durch Kalifornien führte. Die Reise erfolgte im eigenen PKW. Vom Grand Canyon und Las Vegas kamen wir übers Death Valley nach Los Angeles, fuhren zur mexikanischen Grenze in Tijuana und dann nordwärts.

Spanische Missionsstationen in Süd-Kalifornien

Zwischen San Diego und San Francisco lag einst eine Kette von 21 spanischen Missionsstationen. Nur ein Teil von ihnen ist erhalten. Sie wurden in der Zeit von 1769 (San Diego de Alcala) bis 1823 (San Francisco de Solano), hinter einander von Süden nach Norden, von Franziskanern gegründet und dienten der Missionierung der Indianerbevölkerung. Die Straße, die sie verbindet, heißt Königsweg (El Camino Real). Wir besuchten zuerst San Juan Capistrano zwischen San Diego und Los Angeles, danach San Luis Obispo nördlich von Santa Barbara, und schließlich das Kloster Carmel bei Monterey. Später hatte ich Gelegenheit, Missionsgründungen aus derselben Zeit in Texas zu besuchen, so in San Antonio. Fast alle Anlagen sind nach demselben Plan gebaut. In einem großen ummauerten Hof konnten sich die Indianer mit ihren Familien versammeln.

Abb. 1: San Juan Capistrano

An einer Ecke lag das Gotteshaus, in dem Messen abgehalten wurden. Der Glockenturm stand oft in einiger Entfernung von der Kirche. Ein Flügel des Gebäudes diente als Konvent der Patres. Unter überdachten Arkaden wurde gegessen. Auch konnten hier Handwerker ihrem Gewerbe nachgehen. Als Kalifornien von den USA übernommen wurde, mussten sich die spanischen Mönche zurückziehen. Die missionarische Betreuung der Indianer wurde eingestellt. Aus einigen Missionsstationen wie Los Angeles und San Francisco wurden Großstädte.
Abb. 2: Innenhof von Juan Capistrano

Abb. 3: Glockenturm von San Luis Obispo

Die erhaltenen Gebäude befinden sich eher in Kleinstädten. So hat die Stadt Carmel-by-the-Sea etwa 5000 Einwohner. Die Missionsstation wurde im Jahre 1770 von Junípero Serra errichtet. Er wurde im Jahre 1988 von Johannes Paul II. selig gesprochen. Das Kloster gehört seit 1863 wieder der Katholischen Kirche. Die verfallenen Gebäude wurden restauriert und dienen heute als Pfarrkirche für den Ort. Außerdem gibt es darin ein Museum.

Abb. 4: Kloster Carmel

Landschaft an der Pazifikküste

Die Küstenstrecke von Los Angeles nach San Francisco gehört zu den reizvollsten Landschaften der Erde. Es ist nicht nur die Geografie, die dafür verantwortlich ist, also das Meer und die Berge. Die Vegetation trägt sehr stark mit dazu bei. Es sind die Kalifornischen Zypressen, die mit ihren weit ausladenden Ästen jedem Ausblick einen dramatischen Akzent verleihen. Während es etwa bis Santa Barbara noch ausgedehnte Sandstrände gibt, verschwinden diese fast völlig. Stattdessen dominiert die Steilküste. Die direkt an der Küste entlang führende US Highway One ist sehr kurvenreich, bietet aber immer wieder herrliche Ausblicke. Höhepunkte der Strecke sind die Landspitze von Big Sur (Großer Süden) und die Halbinsel von Monterey.
Abb. 5: Steilküste bei Big Sur

Abb. 6: Felsen im Meer

Abb. 7: An der 17-Mile Drive

Einen geradezu legendären Ruf hat der so genannte 17-Mile Drive. Das ist eine Straße, die entlang der Küste westlich von Monterey führt. Hier sind die vom Wind zerzausten Zypressen am schönsten. Hier gibt es auch berühmte Golfplätze. Die Straße befindet sich in Privatbesitz und das Befahren ist gebührenpflichtig. Dass es in Monterey auch einmal eine Zeit gab, wo hier arme Fischerei-Arbeiter mühselig ihrem Broterwerb nachgingen, davon erzählt John Steinbeck in seinem Roman „Cannery Row“.

Abb. 8:  Bucht von Carmel

Abb. 9: Abendstimmung

Stanford − das Herz des Silicon Valley

Die Gegend um San Jose hat heute den Beinamen Silicon Valley. Von einer Computer- oder Chip-Industrie war damals noch nicht die Rede. Umso mehr beeindruckte uns damals der Ort, wo diese Entwicklung ihren Ausgang nahm, nämlich die Universität Stanford.


Abb. 10: Eingangstor zum Campus

Abb. 11: Hauptgebäude mit Bemalung

Die Gebäude sind dem Stil der spanischen Missionsstationen nachempfunden, strahlen aber einen Reichtum und eine Großzügigkeit aus, die ihresgleichen sucht. Die Bibliothek der Universität ist hier tatsächlich als Kathedrale gebaut und hat einen Glockenturm mit einem Kreuz drauf. Als Privatuniversität konnte sich Stanford ihre Studenten aussuchen. Sie hat auch die besseren Professoren.

Abb. 12: Universitätsbibliothek

Abb. 13: Campus-Ansicht mit Studenten

NB: Meine damalige Begeisterung für das amerikanische Bildungssystem fand hier eine besondere Form der Bestätigung. Ihre Ausstrahlung auf die amerikanische Wirtschaft ist enorm. In unserem Fachgebiet, der Informatik, muss man nur an die Namen William Hewlett und David Packard erinnern, die als Absolventen in einer Garage die Weltfirma HP gründeten. In neuerer Zeit waren es die Studenten Serge Brin und Jerry Page, die im Rahmen ihrer Studienarbeiten einen Suchalgorithmus erfanden und von ihrer Universität zum Patent anmelden ließen, auf dessen Basis später die Firma Google entstand. Mein einziger Besuch in den Innenräumen von Stanford im Jahre 1980 hat mich etwas ernüchtert. Ich besuchte einen weltbekannten Kollegen (John Mc Carthy), fand ihn in einem winkeligen, schlecht beleuchten Zimmer zwischen Bergen von Papier. Ich lud ihn zu einem Vortrag nach Deutschland ein. Er nahm die Einladung sofort an. Über den Vortrag, den er hielt, waren alle Zuhörer sehr enttäuscht.

Stadtlandschaft von San Francisco

Viele Menschen sehen San Francisco als die schönste Stadt der Welt an. Sie hat sich diesen Ruf durch mehrere Besonderheiten verdient. Einerseits liegt sie auf einer Landzunge, so dass man von vielen Stellen aus sowohl den Pazifik als auch die Bucht von San Francisco sehen kann. In der Stadt gibt es mehrere Hügel, von denen aus ein schöner Überblick über die Stadt und ihre Umgebung geboten wird. Die Stadt verfügt aber auch über Bauten und Einrichtungen, die ziemlich einmalig sind, so die Brücke über die Einfahrt zur Bucht, das Golden Gate (Goldenes Tor), oder die historische kabelgezogene Straßenbahn (Cable Cars). Schließlich muss man die Bevölkerung der Stadt erwähnen. So hat sie eines der größten und bekanntesten Chinesenviertel (Chinatown) der Welt.
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Abb. 14: Kabelgezogene Straßenbahn

Die Stadt war aber auch immer das Ziel westlicher Abenteurer und Aussteiger, die auf dem Weg nach Westen hier eine Endstation fanden. Von der Hippie-Bewegung, die erst Ende der 1960er Jahre in San Francisco ihre Hauptstadt etablierte, war bei unserem Besuch noch nichts zu merken.

Abb. 15: Im Chinesenviertel

Bei einem Aufenthalt von nur drei Tagen (10. bis 12. September) konnten wir natürlich nur einen Ausschnitt der vielen Sehenswürdigkeiten in Augenschein nehmen. Dazu gehörte natürlich die Fahrt mit einem Cable Car. Alle drei Strecken, die es noch gibt, verbinden die Stadtmitte mit einem Hügel der Stadt. Am Ende jeder Strecke wird der Wagen umgedreht. Die Produkte der Großsee-Fischerei kann man am Fischerkai (Fisherman’s Wharf) besichtigen und beriechen. Bevor man zur Golden-Gate-Brücke gelangt, muss man zuerst einen großen Park durchlaufen, in dem unter anderem japanische Bauwerke zu sehen sind.

Abb. 16: Am Fisherman’s Wharf

Abb. 17: Golden Gate Brücke

Aufgrund seiner Lage in der Nähe einer Bruchstelle zwischen zwei Erdschollen (Sankt-Andreas-Verwerfung) wurde San Francisco mehrmals von Erdbeben erschüttert. Bei dem Beben von 1906 kamen etwa 3.000 Menschen ums Leben und die halbe Stadt brannte ab. Nur noch wenige Häuserreihen stammen aus der Zeit vor diesem Beben.

Abb. 18: Im Golden Gate Park

Mein Auto hatte ich unweit des YMCA, in dem wir wohnten, geparkt. Da die Straße eine ziemliche Steigung hatte, hatten wir vorschriftsmäßig die Vorderräder so eingeschlagen, dass der Wagen sofort am Bordstein hängen blieb, sollte sich die Bremse von selbst lösen. Das half uns doch nicht dagegen, dass wir mehrere Protokollzettel erhielten, da wir drei Tage lang an einer Stelle parkten, an der man nur ein bis zwei Stunden hätte parken dürfen.

Abb. 19: Vorschriftsmäßig geparkt

Da man nicht zu Fuß über die Golden-Gate-Brücke gehen kann, machten wir eine Autofahrt darüber. Diese führte in den Stadtteil Sausalito, der auf der gegenüber liegenden Halbinsel liegt. Dieses Viertel ist nicht nur als exklusive Wohngegend beliebt, es bieten sich von hier auch phantastische Sichten der Stadt und der Bucht. Mitten in der Bucht liegt die Gefängnisinsel Alcatraz. Obwohl berüchtigt durch die Ganoven, die hier einsaßen, ist eine Besichtigung möglich. Wir hatten jedoch keine Zeit dafür.

Abb. 20: Blick von Sausalito

Mit umso größerem Interesse widmeten wir uns den beiden Stadtteilen Oakland und Berkeley auf der Ostseite der Bucht. In Berkeley befindet sich eine staatliche Universität, die University of California. Sie ist ein Zweig des Systems der kalifornischen Staatsuniversität. Andere Zweige sind zum Beispiel in Los Angeles, San Diego, Santa Barbara und Santa Cruz. Auch dieser Campus machte einen sehr gepflegten Eindruck. Die Universität konkurriert mit Stanford um den wissenschaftlichen Ruf. Berühmt wurde Berkeley dadurch, dass hier 1968 die Studentenunruhen ausbrachen, die sich über die ganzen USA und auch über Europa fortpflanzten. Ich habe San Francisco und auch Berkeley später noch mehrmals besucht. Ich empfand die Atmosphäre in diesem Teil Kaliforniens immer als besonders angenehm. Das mag sowohl am Klima liegen, aber auch an der Nähe zum Meer, und nicht zuletzt an den Menschen.

Abb. 21:  Campanile der Universität  Berkeley

Die Hippies haben nach meiner Meinung diese Atmosphäre nicht erst geschaffen. Sie fühlten sich jedoch von ihr besonders stark angezogen. „If you are going to San Francisco,“ so sang später Scott McKenzie, “be sure to wear some flowers in your hair.

Yosemite National Park

Fast alle Nationalparks der USA sind einen Umweg wert. Eindeutig in diese Kategorie fällt der Yosemite-Park. Er ist der älteste der von der US-Regierung ausgewiesenen Nationalparks. Er liegt etwa 300 km östlich von San Francisco, nahe an der Grenze zu Nevada. Er ist ein Teil der Sierra Nevada, jener alpinen Gebirgskette, die diese beiden Staaten trennt. Die Sierra Nevada hat nicht nur dem Nachbarstaat Kaliforniens (Nevada) seinen Namen gegeben; sie ist auch der Grund, dass kein Regen dorthin gelangt. Es zieht jedes Jahr mehrere Millionen Besucher in den Park, von denen der größte Teil nur das Haupttal besucht.

Abb. 22: Einfahrt in Yosemite Park

Abb. 23: Yosemite Falls

Abb. 24: Baumriese

Abb. 25: Waiwona-Baum

Zu den Hauptattraktionen dieses Parks gehören einerseits mehrere Wasserfälle, die bis zu 700 m hoch von der Hochebene der Sierra ins Tal stürzen, sowie die Jahrtausende alten Sequoia-Fichten. Die Sequoia, auch Riesenmammutbaum genannt, ist die älteste Baumart der Welt. Sie ist seit der letzten Eiszeit in Kalifornien vorhanden. Ein anderer Park, bei dem diese Bäume im Mittelpunkt stehen, ist der Muir Wood, nur 15 km nördlich von San Francisco. Hier gibt es Bäume, die über 100 m hoch sind.

Nördliches Kalifornien und die Sierra Nevada

Kommt man von der Pazifikküste ins Landesinnere, wird deutlich, dass Kalifornien an sich ein riesiger Garten ist, in dem alles wächst. Die Voraussetzung dafür ist jedoch meist die künstliche Bewässerung. Dass kein Mangel an Wasser besteht, dafür sorgen die schneebedeckten Berge der Sierra Nevada im Osten des Staates.

Abb. 26: Cathedral and Unicorn Peaks

Abb. 27: Mammoth Peak

Die Landschaft der Sierra Nevada erinnert sehr an die europäischen Alpen. Die Spanier, die zuerst hier waren, erinnerte sie an die Bergkette südlich von Granada, deren Namen sie übernahmen. Die Gipfel überragen die Waldgrenze. Die Wälder sind von großen Almwiesen unterbrochen. Nur das Klima ist freundlicher als in den Alpen.

Abb. 28: Kalifornische Landwirtschaft

Abb. 29: Viehzucht in der Sierra Nevada

Im Norden Kaliforniens beginnt, unabhängig von der Sierra Nevada, eine Kette von Vulkanen, die sich durch Oregon bis in den Staat Washington fortsetzt. Den Beginn dieser so genannten Kaskadenkette bilden einige herrliche Kraterseen, so der Lake Tioga und der Lake Tahoe. Beim Lake Tahoe ist das Wasser blau wie der Himmel darüber, seine Ufer sehen aus, als wären sie mit einem Messer herausgeschnitten und spiegeln sich im glasklaren Wasser. Nicht weit davon entfernt ist das Skigebiet Squaw Valley, wo 1960 die Olympischen Winterspiele stattfanden.

Abb. 30: Lake Tioga

Abb. 31: Lake Tahoe

Uns zog es damals zunächst wieder über die nahe Staatsgrenze nach Nevada. Hier liegt eine weitere Goldgräberstadt, die an eine der Pionierphasen des Westens erinnert.  Sie heißt Carson City und ist nach jenem Kit Carson benannt, der einst die Navajos im Canyon de Chelly eingeschlossen hatte. Die Autofahrer, die sich bereits an der Staatsgrenze drängten, hatten allerdings ein anderes Ziel. Sie wollten sich dem Glücksspiel widmen, das in Kalifornien verboten, aber in Nevada legal ist. Es ist in Reno, der Hauptstadt des Staates Nevada, genau so eine unentwegt sprudelnde Einnahmequelle wie in Las Vegas.


Abb. 32: Spielerparadies Reno, Nevada

Der Lassen Peak, auch Mount Lassen genannt, ist 10.000 Fuß (3000 m) hoch und erscheint auf meinem Bild höher als der Mount Shasta mit seinen 14.000 Fuß (4.200 m). Beides sind im Winter Skigebiete und laden im Sommer zu Wandertouren und Camping-Aufenthalten ein. Der Mount Lassen ist neben dem Mount St. Helens der einzige Vulkan in der Kaskadenkette, der während des 20. Jahr­hunderts aktiv war. Seine letzte Phase der eruptiven Aktivität dauerte von 1914 bis 1917.

Abb. 33: Lassen Peak

Am Mount Shasta befindet sich ein großes Sägewerk, das Holz für die Möbel- und Bauindustrie liefert. Wie ich bisher noch nicht erwähnte, wohnen Amerikaner typischerweise in Holzhäusern. Sie halten sie für gesünder als Steinhäuser. Außerdem sind sie schneller zu errichten und können beim Umzug sogar mitgenommen werden

Abb. 34: Mount Shasta

Indianer des Nordwestens

Kaum hatten wir die Grenze zu Oregon überfahren, als wir zum ersten Mal auf Indianer aus dem Nordwesten trafen. So sind die Klamath-Berge nach einem Stamm benannt, der hier schon seit Urzeiten zuhause ist. Sie gehören zur athabaskischen Sprachfamilie, die von Alaska bis nach Kalifornien reicht. Die Indianer des Nordwestens lebten in Dorf- oder Stammesgemeinschaften, teils in Holzhütten, teils in Zelten (Tipis).

Abb. 35: Tipi der Klamath-Indianer

An der Küste ernährten sie sich vom Fischfang, im Landesinnern von der Jagd auf Rotwild (Wapitis) und Bergziegen. Sie ergänzten ihr Nahrungsangebot durch das Sammeln von Beeren, Wurzeln und Knollengewächsen. Bekannt sind die ausdrucksvollen Holzschnitzereien. Dazu gehören die so genannten Totempfähle. Darunter versteht man große bemalte und mit Schnitzereien versehene Baumstämme, die bestimmte Vorfahren eines Clans oder mythologische Gestalten darstellen.

Abb. 36: Totem-Pfahl