Hin und wieder werde ich in die Diskussion physikalischer Probleme hineingezogen.
Der Anstoß geht meistens von zweien meiner Kollegen aus: Karl
Ganzhorn oder Hans
Diel. Diesmal geht es wieder um Quantenphysik, das Spezialgebiet meines
Freundes und Hobby-Physikers Hans Diel. Es geht um die Interferenz beim
Doppelspalt-Experiment, ein Phänomen, das die Wellennatur der Materie belegt.
Am 22.4.2013 schrieb Hans Diel
aus Sindelfingen:
Mein Problem betrifft ein zentrales Prinzip der Quantenphysik. Für eine
genauere Beschreibung kopiere ich hier einen englischen Text, den ich so oder
ähnlich schon öfter verwendet habe (da die Formeln \Phi u.s.w. irrelevant sind,
sollten Sie die fehlerhafte Notation übersehen):
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An example from quantum theory where I found this rule violated is the basic principle on the interference of wave functions. R.Feynman in his famous Lectures on Physics, Volume 3, states the principle as follows:
An example from quantum theory where I found this rule violated is the basic principle on the interference of wave functions. R.Feynman in his famous Lectures on Physics, Volume 3, states the principle as follows:
(begin
of citation)
"When
an event can occur in several alternative ways, the probability amplitude for
the event is the sum of the probability amplitudes for each way considered
separately. There is interference:
\Phi = \Phi_{1} + \Phi_{2}
P = | \Phi_{1} + \Phi_{2} | ^{2}
If an experiment is performed which is capable of determining whether one or another alternative is taken, the probability of the event is the sum of the probabilities for each alternative. The interference is lost.
P = P_{1} + P_{2}
(end of citation)
==============
\Phi = \Phi_{1} + \Phi_{2}
P = | \Phi_{1} + \Phi_{2} | ^{2}
If an experiment is performed which is capable of determining whether one or another alternative is taken, the probability of the event is the sum of the probabilities for each alternative. The interference is lost.
P = P_{1} + P_{2}
(end of citation)
==============
Das Problem, das ich in dem derart formulierten Prinzip sehe, lässt
sich in der Frage ausdrücken: Wie (wieso, seit wann) kann das Kriterium dafür,wie
sich die Physik in einem ganz entscheidenden Punkt verhält, davon abhängen, was
der Mensch fähig ist festzustellen?
Sofortiger Einwand eines Physikers: Niemand spricht hier von der
Fähigkeit des Menschen, sondern es geht darum „ob ES möglich ist festzustellen,
welchen Pfad das Elektron genommen hat“. Meine Antwort: „ob es möglich ist
festzustellen“ („is capable of determining“) ist wunderbar abstrakt, für
mich jedoch unzulässig abstrakt. Es wäre nach meiner Meinung nur dann eine
zulässige Formulierung (für ein physikalisches Prinzip), wenn es in der Physik
eine saubere Definition von „Feststellbarkeit“ gäbe, ähnlich dem Begriff der
„Berechenbarkeit“ in der Mathematik.
Eine weitere Erläuterung meines Problems wird vielleicht deutlich, wenn
wir über mögliche andere Fassungen des von mir kritisierten Prinzips
nachdenken. In einem meiner Papers schlage ich als ersten Schritt folgende
Variante vor: „Die Interferenz bricht zusammen, wenn es möglich ist durch eine
„measurement-like“-Wechselwirkung festzustellen, welchen Pfad das Elektron genommen
hat“.
Möglicher Einwand des Diskussionspartners: Wieso kann das Hinzufügen
des Begriffs Wechselwirkung das Problem lösen? Meine Antwort: (1) Durch das
Hinzufügen des Begriffs ‚Wechselwirkung‘ wird die Formulierung von der
(unzulässig) abstrakten Ebene zurückgeholt auf die physikalische Ebene. (2) Den
für mich problematischen Teil („capable of determining“) könnte man tatsächlich
jetzt ganz verschwinden lassen und einfach sagen: „Die Interferenz bricht
zusammen, wenn in einem der Pfade eine „measurement-like“-Wechselwirkung
STATTFINDET.
Möglicher Frage des Diskussionspartners: Wenn das ihr Problem löst,
wieso hat Feynman dann nicht das Prinzip so formuliert? (Feynman hat doch die
Quantentheorie der Wechselwirkung erfunden.) Meine Antwort: (1) Feynman hat in
seiner Formulierung nichts Problematisches gesehen, obwohl er die Quantenphysik
insgesamt als (bedenklich) unverständlich angesehen hat. (2. und wichtiger)
Wenn Feynman sich auf die Wechselwirkung bezogen hätte, wäre sofort die Frage
gekommen, welche Art von Wechselwirkung hat den Zusammenbruch der Interferenz
zur Folge (d.h. was ist eine „measurement-like“-Wechselwirkung). Der
Zusammenbruch der Interferenz tritt nämlich nicht bei jeder Art von
Wechselwirkung auf. Diese Frage hätte Feynman nicht beantworten können. Die
kann auch heute noch kein Physiker beantworten. Die Beantwortung der Frage
„welche Art der Wechselwirkung verursacht den Zusammenbruch der Interferenz?“
ist eng verknüpft mit dem ungelösten so genannten „Messproblem der Quantenphysik“.
Als Schlussfolgerung von dem, was ich oben geschrieben habe, wünsche
ich mir deswegen nicht eine bessere Formulierung des „Interferenz-Prinzips“ à
la Feynman, auch nicht eine Ersetzung durch ein logisch und physikalisch
sauberes Prinzips (z.B. basierend auf der Wechselwirkung von Teilchen), sondern
nur das Eingeständnis, dass die
Formulierung, wie sie von Feynman und fast allen Quantenphysikern, mangels
fehlender besserer Alternative benutzt wird, unbefriedigend und damit nur
vorläufig ist.
Die von mir zitierte Formulierung von Feynman ist ungefähr 40 Jahre
alt. Aber auch in Lehrbüchern, die 2012 erschienen sind, wird das Prinzip noch
so ähnlich formuliert. Einen groben
Vorschlag zur Definition von „measurement-like“-Wechselwirkung enthält mein Paper
[1]. Mich würde interessieren ob es mir gelungen ist mein Problem verständlich
darzulegen. Ob Sie meiner Ansicht zustimmen, ist dabei zweitrangig.
Am 23.4.2013 schrieb Peter
Hiemann aus Grasse:
ich habe schon verstanden, worum es Ihnen geht. Was ich nicht verstehe
aber verstehen möchte, ist die Art der Wechselwirkungen zwischen den
Elementarteilchen.
Nach D. Hofstadter entsprechen Feynman-Diagramme mathematischen
Ausdrücken zur Berechnung von möglichen Teilchenbahnen. Feynman postuliert
sogar Ausdrücke für virtuelle Teilchen, damit er reale Bahnen berechnen kann.
„Was aber die Dinge gehörig kompliziert, ist die Tatsache, dass ein Photon
(real oder virtuell) für einen kurzen Moment in ein Paar von einem Elektron und
einem Positron zerfallen kann. Dann annihilieren sich diese beiden gegenseitig,
und wie durch Magie erscheint wieder das ursprüngliche Photon.“ (Gödel, Escher,
Bach, Seite 156).
Nach meiner Vorstellung müsste die Beschreibung von Wechselwirkungen
darstellen, unter welchen Zustandsbedingungen eines Systems von
Elementarteilchen welche Elementarteilchen wie mit anderen interagieren. Und
was die Konsequenz der Interaktion ist. Nach dieser Vorstellung könnte es sich
bei „measurement-like“ um Zustandsbedingungen handeln.
Übrigens gibt Hofstadter auch einen Hinweis in Richtung ‚Feststellbarkeit‘
von Zuständen: „Die Wissenschaft kennt keine Methode für die Zusammenführung
all der unendlich vielen möglichen Diagramme, mit der sich ein Ausdruck für das
Verhalten eines vollständig re-normalisierten physikalischen Elektrons gewinnen
ließe.“ Ist meine Vorstellung (die den Wechselwirkungen biologischer Moleküle
entspricht) für die Quantenphysik irrelevant?
Am 25.4.2013 schrieb Hans Diel:
Ein einzelnes Feynman-Diagramm beschreibt eine Alternative wie die
Eingangsteilchen wechselwirken können, um in einer bestimmten
Ausgangskonfiguration zu resultieren. Das Gesamtbild erhält man durch die
Überlagerung (Interferenz) der verschiedenen möglichen Diagramme. Dabei ist zu
beachten, dass dieses "Gesamtbild" nur Wahrscheinlichkeiten liefert. Dass
"measurement-like" in Zustandsbedingungen übersetzt werden muss, ist
auch meine Überzeugung. Zu der Art dieser Zustandsbedingungen habe ich nur grobe
Ideen. Mir scheint, dass Hofstadter KEINEN Hinweis gibt, sondern das Unvermögen
der Wissenschaft beschreibt, eine Methode "für die Zusammenführung all der
unendlich vielen möglichen Diagramme, mit der sich ein Ausdruck für das
Verhalten eines vollständig renormalisierten physikalischen Elektrons" zu
liefern.
Am 26.4.2013 schrieb Peter
Hiemann:
die Aussage Hofstadters, dass Teilchenphysiker mit der Komplexität
„virtueller Teilchenwolken“ nicht fertig werden, finden Sie auf den Seiten 157
und 158 von „Gödel, Escher, Bach“. Ich habe Hofstadters Aussagen dahingehend
interpretiert, dass Teilchenphysiker an Grenzen stoßen, um Zustände von
Teilchenkonfigurationen zu berechnen. Das meinte ich mit Hinweis auf
„Feststellbarkeit von Zuständen“. Ob die Teilchenphysiker die Ansicht
vertreten, dass es sich bei den Grenzen der Berechenbarkeit nur um das
Unvermögen handelt, noch nicht die richtige Methode gefunden zu haben, kann ich
nicht beurteilen.
Hofstadter gibt auf Seite 157 übrigens einen anderen interessanten Hinweis:
Er könnte sich vorstellen, eine Anzahl von RTNs (Rekursive
Transition-Netzwerke) auszuarbeiten, welche die „Grammatik“ elektromagnetischer
Wechselwirkungen definieren. Vielleicht lohnt es, sich mit Hofstadters RTNs
vertraut zu machen. Vielleicht auch für mich, da ich sicher bin, dass auch bei
molekularbiologischen und neuronalen interaktiven Prozessen Rekursion
(Nicht-Linearität) eine Rolle spielt.
Zusätzliche Referenz
- Diel, H.: A Functional Interpretation of Quantum Theory, ICCQMNP Barcelona, 2013; Eine Kopie davon gibt es hier.
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