Montag, 22. April 2013

Kultur – gibt es die noch? Wenn ja, wie viele?

Immer dann, wenn von der Entwicklung des Menschen und der seiner geistigen Fähigkeiten die Rede ist, taucht der Begriff der Kultur auf. Es besteht offensichtlich eine Wechselbeziehung. Kultur kann sich nicht ohne Menschen entwickeln und Menschen nur schlecht ohne Kultur. In der allgemeinsten Form ist Kultur alles, was nicht Natur ist. Nur im Deutschen wird von der Kultur die Zivilisation abgegrenzt. Manche Sprachen machen keinen Unterschied zwischen beidem.

An sich ist das Wort Kultur völlig verbraucht. Es gibt keine Tätigkeit des Menschen, die nicht als Kultur bezeichnet wird, angefangen von der Ess- und Trinkkultur bis zur Wohn- und Gartenkultur. In den meisten der genannten Fälle handelt es sich um Ausdrucksformen der Alltagskultur. Im Folgenden verwende ich das Wort Kultur in einer sehr einschränkenden Bedeutung, die wir am ehesten mit dem Begriff  Hochkultur belegen würden. Wie ich schon wiederholt sagte, kommt man am Differenzieren nirgends vorbei. Immanuel Kant, von dem sich einige Kollegen immer noch oft leiten lassen, würde statt differenzieren ‚attendieren‘ sagen. Wir müssen den Konkreta unsere Aufmerksamkeit widmen, obwohl die Versuchung immer groß ist, in die Welt des Unkonkreten und Unrealen zu abstrahieren.

Philippika eines Weltbürgers

Mario Vargas Llosa (*1936 in Peru) gilt als führender lateinamerikanischer Schriftsteller. Er erhielt im Jahre 2010 den Literatur-Nobelpreis. Sein neuestes Buch trägt den Titel "Alles Boulevard" (2013, 231 Seiten). Das spanische Original hieß übersetzt ‚Zivilisation des Spektakels` (span. La civilización del espectáculo). Das bringt uns dem Inhalt erheblich näher.

Das Buch stellt eine zweiteilige Frage und wiederholt sie immer wieder: Was meinen wir, wenn wir heute von Kultur reden, und wie stellt sie sich dar? Bei der Beantwortung der ersten Teilfrage beginnt Llosa im Jahre 1948 mit T.S.Eliot (1888-1965). Seine Antwort erscheint uns bereits antiquiert: Kultur verlange Elite. Massenkultur sei keine Kultur. Kultur werde durch Familie und Kirche vermittelt, nicht durch die Schule. Diese mag Kulturwissen vermitteln. Sie sagt (im Allgemeinen) nichts dazu, was das Leben lebenswert macht. Nach der französischen Revolution habe in Europa in kultureller Hinsicht eine große Langeweile (frz. grand ennui) eingesetzt. Sie führte zu dem großen Gemetzel der Weltkriege und des Holocaust.  

Eine modernere Antwort findet der Autor bei dem französischen Philosophen Gilles Lipovetsky (*1944): Kultur muss alle Kontinente und Religionen einbeziehen. Sie darf nicht länger elitär, gelehrt und exklusiv sein. Die Demokratisierung  ̶  was immer das heißt  ̶  ist ein Muss. Demzufolge kann es nur eine Massenkultur sein. Sie hat ihren Charakter verändert. Die Masse fühlt sich nur angezogen von Etwas, das Neues und Abwechslung bietet. Kultur degeneriert zu Unterhaltung und Flucht. Es dominieren Bilder (Film) und Töne (Musik). Das Internet wirbelt schließlich alle Medien durcheinander, die für Kultur relevant sind. Die früher sehr wichtige Buchkultur wird marginalisiert.

Als Kulturschaffende gelten nach wie vor Künstler (Bildhauer, Maler, Komponisten) und Literaten (Autoren). Hinzugekommen sind die Filmemacher. Die Konsumenten treten oft als Touristen auf. Selbst der einfache Bürger verhalte sich wie ein Snob. Bei einem Besuch in Paris hakt er Sehenswürdigkeiten, Kunst und Gourmet-Essen (Eifelturm, Louvre und Escargots) geradezu ab.

Heute sehe man als Mainstream einer Kultur die Gebiete Film, Fernsehen und Pop-Musik an. Bücher, Malerei und Bildhauerei gehören nicht mehr dazu. Nicht-Pop-Musik, Gesang, Theater, Ballett und Tanz sind ebenfalls zu Randgebieten geworden. Es werden kaum noch Werke geschaffen, die den Tod des Autors überdauern sollen. Alles ist für den Konsum durch Heutige gedacht. Als Wert gelte der Preis. Den bestimmt der Markt, nicht der Experte. [Die Entwertung des Begriffs Künstler ist kaum noch zu überbieten, seit die Definition gilt, Künstler ist, wer sich für einen Künstler hält]

Wir haben eine Kultur des Spektakels. Die Medien bedienen vorwiegend den Eskapismus. Nur Spaß zählt. Angeblich sollen nach der Lehman-Pleite Fernseh-Teams darauf gewartet haben, dass ein Börsenmakler von einem Hochhaus springt  ̶ vermutlich nur ein Gerücht, aber ein bezeichnendes. Kunst-Kritiker kämen sich vor, als ob sie versuchen aus einem Urwald eine hierarchische Ordnung zu machen. In der Öffentlichkeit werden Köche und Modemacher stärker wahrgenommen als die Literatur-Kritiker. Der Sport dient primär dazu, moderne Hordenbildung (z.B. in Fußballstadien) zu fördern, statt den Geist zu bilden nach dem klassischen Ideal des ‚Mens sana in corpore sano‘. Oft zähle Kasperei als Kunst. Man fühle sich von manchen modernen Künstlern auf den Arm genommen. [Vargas Llosa kennt ein Pariser Pissoir, das als Kunstwerk verehrt wird. Ich habe bereits bei manchen Werken von Beuys den Eindruck, dass mich jemand veräppeln will]. Frivolitäten und sexuelle Perversionen dienen als lohnendes Sujet. Der Journalismus versteht sich als Unterhaltung. Skandale, Korruption und Katastrophen bekommen die größte Aufmerksamkeit. Dass dies zur Politik-Verdrossenheit führt, sei kein Wunder.

Einige Ursachen für die Entwertung der Kultur

Die Verwässerung des Begriffs Kultur erfolgte in edelster Absicht. Schuld waren die Ethnologen, die primitive Völker besuchten und beschrieben. Sie verwanden für das Gesamtbild von Mythen, Sitten und Gebräuchen den Begriff Kultur. Eine Volkskultur, in der nicht alles gleich ist wie in unserer Kultur, hat ein Recht so zu sein, allein weil es sie gibt.

In Diktaturen, wie es sie leider überall auf der Welt gibt, wird die Kultur korrumpiert, indem sie in den Dienst des Regimes gestellt wird. Viel schlimmer ist, dass in vielen Demokratien die Situation sich umgekehrt darstellt. Das, was dort heute als Kultur gilt, ist auf dem besten Wege die Grundlagen der Demokratie zu zerstören. Vargas Llosa sieht den Ausgangspunkt für viele Probleme im Mai 1968. Es wurden nicht nur alle bisherigen Autoritäten in Frage gestellt, auch das staatliche Schulwesen wurde ausgehöhlt. Namhafte französische Philosophen wie Baudrillard, Derrida und Foucault hätten dazu beigetragen, das Vertrauen in die Kraft der Gesellschaft, ja in die Realität zu erschüttern. Es fand eine weitgreifende Sinnentwertung statt. Kultur sei zu einem ungreifbaren Phantom geworden. Sie sei nur noch Vorwand für den Kommerz, genauso wie das Überleben als einzige Rechtfertigung des Lebens gehalten wird. Die seither eingetretene sexuelle Befreiung habe zwar zu mehr Selbstbestimmung im Umgang der Geschlechter geführt, sie habe jedoch die Literatur des Themas Erotik beraubt.

Was Kultur leisten sollte

Vargas Llosa hält sich keineswegs zurück bei der Frage, was Kultur leisten sollte. Eine Kultur müsste Antworten geben auf die ‚Rätsel, Fragen und Konflikte, die die Existenz des Menschen umfangen‘.  Die Antworten müssen ernsthaft sein, verantwortlich und verständlich, nicht bloß spielerischer Natur. Sie müssten den Dialog ermöglichen zwischen Vergangenheit und Zukunft. Im Sinne einer Hochkultur müssen die Kunstwerke, die als Meisterleistungen anerkannt werden, anspruchsvolle Werke sein, die nicht ohne Anstrengung oder Begabung hergestellt werden können. Sie sollten Kompetenz zum Ausdruck bringen. Sie sollten ein Gegengewicht darstellen gegen Frivolität, Ignoranz und Oberflächlichkeit. Schließlich sollte Kultur zur Erziehung junger Menschen beitragen.

Sehr beschäftigt den Autor die Beziehung zwischen Kultur und Religion. Vielleicht ist das für einen Lateinamerikaner, der aus einer katholischen Tradition stammt, naheliegend. Menschen aller Epochen und Regionen haben einen Gottglauben. Sie erwarten ein Leben nach dem Tode. Es widerstrebt ihnen, den Menschen nur als kosmischen Unfall anzusehen, so wie dies Albert Camus (1913-1960) ausdrückte. Wir brauchen einen Glauben an Gerechtigkeit, und haben Angst vor der Einsamkeit. Wissenschaft und Technik konnten bisher die Religionen nicht auslöschen oder ersetzen. Inzwischen sei es als Irrglaube erkannt, dass Vernunft, Wissenschaft und Kultur den Menschen auf die Dauer vom Aberglauben befreien könnten. Religionen bedienen ein allgemeines Bedürfnis nach Spiritualität und Transzendenz.

Er plädiert für eine strikte Trennung von Kirche und Staat. Wo dies nicht geschieht, hat es eine freie, demokratische Gesellschaft schwer, sich zu entwickeln. In fast allen Ländern ist die Säkularisierung geglückt außer in Saudi-Arabien und Iran. Das Beispiel eines ehemals islamischen Landes ist die Türkei. Die Demokratie profitiere von der Religiösität ihrer Bürger. Die ursprüngliche Botschaft des Christentums (Verzeihung, Brüderlichkeit) ziele in diese Richtung. Schlimm ist jede Form der Repression, insbesondere wenn sie von Kirchen ausgeübt wird, die sich dazu der Macht eines Staates bedienen. Auch Gewalt zwischen Sekten ist schlimm, egal ob es sich um christliche oder islamische Glaubensstreitigkeiten handelt. Auch wenn die großen Glaubensgemeinschaften einen Schwund der Mitgliederzahl verzeichnen, der Anteil religiös sensibler Menschen gehe nicht zurück. Das beweisen unter anderem die rund 1600 neureligiösen Gruppen. Der Staat muss entweder alle verbieten, oder alle akzeptieren. Die zweite Alternative sei die einzig vernünftige.

Versuch einer Ergänzung

Manchmal komme ich mir etwas arrogant vor, wenn ich mich traue, der Aussage eines weltbekannten Autors meine eigene Meinung gegenüberzustellen. Dann sage ich mir stets, dass ich alt und unabhängig genug bin, um mich blamieren zu dürfen.

Nach meiner Meinung kommen wir nicht umhin zu unterscheiden zwischen  d e r  Kultur und den Kulturen. Es ist nicht nur ambitiös, sondern illusorisch von einer einheitlichen Weltkultur zu sprechen. Andererseits ist die Zeit vorbei, als nur nationale oder ethnische Kulturen wert waren betrachtet zu werden. Heute muss man differenzieren nach Lebensbereichen. Das ist bei dem Wort Zivilisation einfacher. Sie stellt primär eine regionale oder zeitliche Entwicklungsstufe dar. Deutsche und französische Kultur sind klar unterscheidbar. Bei dem Wort Zivilisation hingegen widerstrebt es, überhaupt die Mehrzahl zu bilden.

Wie ich in einem früheren Beitrag ausgeführt habe, sind C. P. Snows berühmte zwei Kulturen in Wirklichkeit drei Kulturen. Bei dieser Betrachtung liegt die Betonung auf der Haltung des Menschen gegenüber der Natur. Durch die Differenzierung werden bewusst Unterschiede deutlich gemacht, die von gewisser Seite am liebsten unterschlagen werden. Es ist vor allem die ältere Gruppe, die gerne leugnet, dass sich etwas Neues ergeben hat. Es wird Tausende von Gemeinschaften geben, in denen sich weltweit verstreute Sprachgemeinschaften, Denkschulen, Fachinteressenten und Hobbyisten zusammenfinden. Virtuelle Gemeinschaften hießen sie 1994 bei Howard Rheingold. Diese Entwicklung ist nicht neu. Sie wird jedoch enorm beschleunigt und erleichtert.

Wie viele Intellektuelle vor ihm so neigt auch Vargas Llosa zu einer Glorifizierung der Vergangenheit. Im vorangehenden Blog-Eintrag wurde dargestellt, dass die Illusion der Gültigkeit und das Konstruieren kohärenter und kausaler Geschichten über die Vergangenheit zu den kognitiven Verzerrungen zählt, denen alle Menschen unterliegen. Nicht ganz so negativ wie der Autor sehe ich das befürchtete Absinken des intellektuellen Niveaus der öffentlichen Kommunikation. Ich kenne außer mir noch viele, die ohne Pop oder Rap auskommen, sogar ohne Heidi Klum, Dieter Bohlen und die Bildzeitung. Einige von ihnen haben sogar Einfluss auf die Jugend.

Nebenthema: Verunsicherung durch neue Medien

Bei den vorangegangenen Bemerkungen deckten sich meine Auffassungen weitgehend mit denen des Autors. Das ändert sich bei einem Nebenthema. Die neuen Medien, allen voran das Internet, bewirken, dass die Welt einerseits zum Dorf wird, sich aber andererseits immer mehr Gruppen absondern. Google, Twitter und Facebook verändern das geistige Leben, so wie es der Buchdruck einst tat  ̶  da sind wir der gleichen Meinung. Die Frage, die Kinder stellen, ist berechtigt: Warum muss ich mir merken, was ich nachschlagen (d.h. googeln) kann?

Wer die Qualität der Inhalte bedauert,  ̶  wie dies der Autor tut  ̶  verrät nur sein Unwissen. Das Internet überträgt das Programm von über 4000 Radiosendern. Man kann die Kunstwerke des Pariser Louvre und der Eremitage in St. Petersburg betrachten und sämtliche Werke Shakespeares auf dem Handy lesen. An Hermann Höcherls berühmten Ausspruch denkend, trage ich das Grundgesetz der Bundesrepublik mit mir herum, außerdem die Bilder aller Bundestagsabgeordneten. Natürlich kann man auch viel Schwachsinn im Netz finden. Früher  ̶  so sagte ein anderer kluger Zeitgenosse  ̶  musste man meist nur einen Dorftrottel ertragen, jetzt ist jeder Trottel auf der ganzen Welt vernehmbar. Man muss lernen zu selektieren und zu filtern. Die einfachste Form heißt wegschalten oder löschen.

Es gibt natürlich Nebenwirkungen. Im Vergleich mit der Umweltverschmutzung, die durch die chemische Industrie verursacht wird, oder der Zahl der durch den Autoverkehr täglich zu Tode gekommenen Menschen, sind sie geradezu marginal. Man muss sich dennoch um sie kümmern. Auf andere Technologien zu verweisen, hilft nicht.

Die  Revolution der Information ist  ̶  wie der Autor bemerkt  ̶  längst noch nicht abgeschlossen. Dass sie zur ‚Roboterisierung der Menschheit‘ führt, bezweifele ich jedoch. Es gibt hier ebenso Happenings wie anderswo, die nur der Befriedigung von Neugierde dienen (z.B. Wikileaks). Dass der Autor Angst vor E-Books empfindet, kann ich überhaupt nicht nachvollziehen [Ich las seinen jüngsten Text als E-Book]. Dass Leser mit papiernen Büchern gewisse sinnliche (d.h. haptische) Erfahrungen verbinden, ist nichts Überraschendes. Schließlich verbinden wir mit dem Kutschenfahren andere Gefühle als mit dem Autofahren. Reiten ist etwas anderes als Fahrradfahren. Die meisten Menschen konnten sich über diese Gefühle hinwegsetzen.

4 Kommentare:

  1. Am 22.4.2013 schrieb Otto Buchegger aus Tübingen:

    Bucheggers Kurzdefinition: Kultur ist bewährte Erfahrung.

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  2. Ebenfalls am 22.4.2013 schrieb Peter Hiemann aus Grasse:

    Llosa kritisiert die generelle Tendenz moderner Gesellschaften, sich an kurzfristigen Modeerscheinungen zu orientieren, anstatt sich um langfristige, Gesellschaftsstrukturen stabilisierende Werte zu bemühen. Llosa ist überzeugt, dass der derzeit zu beobachtende Verfall kultureller Verhaltensweisen der Situation entspricht, die sich in historischen Veränderungen des philosophischen Kulturbegriffs schon lange angedeutet hatte: „Es ist der traumatische Umzug in eine neue Wirklichkeit, in der kaum noch Spuren bleiben von jener, die sie verdrängt hat.“

    Den Umzug in die Wirklichkeit des 21. Jahrhunderts kann man auch anders interpretieren. Zum Beispiel damit, dass Individuen moderner Gesellschaften versuchen, dem Ziel näher zu kommen, das Immanuel Kant in einem Vortrag „Was ist Aufklärung?“ 1784 formuliert hat: „Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit.“ Im selben Vortrag hatte Kant aber auch Gründe angegeben, die Individuen davon abhalten, mündiges Verhalten zu praktizieren: „Es ist so bequem, unmündig zu sein.“

    Und da scheint der „Hund begraben zu sein“.

    Vielleicht hat Llosa recht, dass es Philosophen zu leicht gemacht wurde, sich zu Vormündern aufzuwerfen, um die Freiheitsgrade des sogenannten Existenzialismus zu propagieren. Vermutlich aber unterschätzt Llosa die mächtigen ökonomischen und technologischen Einflüsse auf gesellschaftliche Verhaltensweisen. Auch auf die Verhaltensweisen und Vorstellungen von Philosophen, Literaten und Künstler.

    Llosas Essays im Detail zu analysieren würde erfordern, eine moderne „Messlatte“ an dessen Aussagen anzulegen, die bei der Bewertung menschlichen Verhaltens zwischen verschiedenen menschlichen Wesensarten unterscheidet:
    - dem biologischen Wesen in all seinen genetischen Varianten, vor allem hinsichtlich der Region der Geburt und den ererbten Talenten oder Handicaps.
    - dem kulturellen Wesen in all seinen individuellen Varianten, vor allem hinsichtlich regionaler Traditionen, Erziehung in der Jugend und späteren wahrgenommenen oder nicht wahrgenommenen Bildungsmöglichkeiten.
    - dem gesellschaftlichen Wesen in all seinen institutionellen Varianten, vor allem hinsichtlich der ökonomischen Angebote, die einem Individuum persönliche Entfaltungsmöglichkeiten eröffnen bzw. verschließen.

    Ob die menschlichen Wesenszüge, die Llosa ins Blickfeld nimmt, ursächlich für seinen Kulturpessimismus sind, und ob Llosas Empfehlungen Chancen eröffnen, dem Geistesleben moderner Gesellschaften wieder zu mehr Sinn (in seinem Sinne) zu verhelfen, darf bezweifelt werden.

    Es ist vermutlich plausibler, von modernen Eliten zu erwarten, dass sie ihrer Rolle gerecht werden, moderne ethische Grundsätze (z.B. UN-Menschenrechte, in Verfassungen garantierte Menschenwürde und Freiheitsgrade, neue ökonomische globale Regelungen) in den von ihnen repräsentierten Institutionen zur Geltung zu bringen. Das betrifft die Eliten aller gesellschaftlicher Domänen: Politik, Unternehmen, Wissenschaft, Medizin, Religion und Kunst.

    Dass Künstler sehr individuelle Freiheitsgrade in Anspruch nehmen, war schon immer so und wird sich nicht ändern. Dass „Normalsterbliche“ Langweile oft mit banalen Tätigkeiten „totschlagen“, ist ärgerlich. Llosas hat keine Vorschläge, wie Langweile mit kulturell wertvoller Tätigkeit ausgefüllt werden könnte. Wichtig ist, dass sich „Normalsterbliche“ nicht so leicht für ideologische Zwecke einspannen lassen.

    Und beinahe hätte ich vergessen zu erwähnen, dass den Ingenieurwissenschaften und der Informatik bei der Erschließung von Wissen durch Modelle (auch allgemein verständliche) und der Bereitstellung von Kommunikationskanälen eine wichtige Rolle bei der Gestaltung kulturell wertvoller Verhältnisse zukommt. Ob Llosa das auch so sieht, ist nicht zu erkennen.

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  3. Lieber Herr Endres!

    This was very interesting. I especially was moved by the "Was Kultur leisten soll" section. Does one really only learn that in church and family? You might be right. I would hope that some of it is intrinsic to humans.

    I am reminded of the quote wrongly attributed to Socrates that begins "Our youth now love luxury. They have bad manners, contempt for authority ..." that is used to weaken any general criticism of ones times by elders. It has always been clear to me that the Kultur of two different times and places IS often comparable and can be evaluated. And that Kultur can devolve - one needs only to observe our times. Or consider the incomparable creations of German music - if Bach and Beethoven were supernovas, what Lichtlein are working today?

    Regarding the media, this morning I was just astounded at the fact that we in America have 24 hour per day news broadcasts on about 10 channels. All with a vanishing rate of information/hour. I cut the TV cable when my children were young. I would do much more than that if I were to be responsible for children again.

    Thank you.

    Calvin Arnason

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    1. Die Auffassung, dass nur Familie und Kirche für Kultur zuständig sind, wurde angeblich von T.S. Eliot vertreten. Vargas Llosa macht sich diese Meinung nicht zu eigen. Ich halte sie auch für antiquiert. Heute finanziert der Staat den größten Teil dessen, was als Kultur gilt.

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