Inzwischen
ist die Bundestagswahl vom 22. September schon fast Geschichte. Durch eine
Reise und andere aktuelle Themen wurde ich davon abgelenkt, in diesem Blog das
Ergebnis zu kommentieren. Da mein Freund Peter Hiemann mir gerade seine Analyse
schickte, kann ich den interessierten Leser auf diese verweisen. Hiemanns Ausführungen sind sehr lesenswert und decken sich
in vieler Hinsicht mit meiner Sicht. Ich möchte im Folgenden lediglich einige
Punkte nachtragen, die ich für erwähnenswert halte.
Bereits bei
der kurz vorher stattgefundenen Landtagswahl in Bayern war ein starker Trend in
Richtung CDU/CSU abzusehen. Wie stark er bei der Bundestagswahl ausfiel, wird
deutlich, wenn man das Ergebnis bei den 299 Direktkandidaten ansieht. Hätten
wir ein Mehrheitswahlrecht wie Großbritannien, wäre das Ergebnis nach Zahl der
Sitze wie folgt gewesen: CDU/CSU 239 (80 %), SPD 55 (18 %), Linke 4 (1,3 %) und
Grüne 1 (0,3 %). In sieben von 16 Bundesländern gewann die CDU/CSU alle
Direktmandate. Aufgrund des Verhältniswahlrechts und der komplizierten
Berechnung der Ausgleichsmandate hat die CDU/CSU die Mehrheit der 631 Sitze
knapp verfehlt.
Die SPD hat
einen Teil ihrer Wähler aus der Schröder-Zeit zurückgewonnen. Diese kommen aus
hessischen und norddeutschen Stadtgebieten. Der Anteil der Wähler aus Arbeiter-Milieus
fällt ohnehin stetig. Die FDP kam unter die Räder. Ihre Wähler gingen zurück
zur CDU, wo sie unter Westerwelle herkamen, oder sie verteilten sich auf AfD,
Grüne und Piraten.
Die Grünen überlebten
als große Verlierer. Nach Umfragen lagen sie gegen Mitte der Wahlperiode um
15%. Ihr Abstieg ist primär darauf zurückzuführen, dass sie ihre ureigenen
Themen (Umweltschutz, Atomausstieg) verloren hatten. Bei der Betonung sozialer
Themen kamen sie mit der SPD ins Gehege. Dass sie auch noch in die Ernährungsgewohnheiten
der Bevölkerung mittels gesetzlicher Vorschriften (Veggie Day) eingreifen
wollten, verstärkte ihr Image der Besserwisserei. Da der Spitzenkandidat
Trittin kurz vor der Wahl von seiner Vergangenheit eingeholt wurde, erhöhte das
nicht das Vertrauen in die Berliner Mannschaft.
Dass „Die
Linke“ langsam erodiert, wundert überhaupt nicht. Immerhin wird es bald 25
Jahre nach der Wiedervereinigung immer schwieriger, sich als armer, benachteiligter
Ossie zu profilieren. Die Person Gysi hält ein minimales Interesse am ostdeutschem
Flair am Leben. Dass die Piraten nur noch auf 2,8 % der Stimmen kamen, ist auf
das chaotische Bild zurückzuführen, welches diese Partei seit ihrem Höhenflug
(8% im Berliner Senat) abgab.
Die wahre
Überraschung der Wahl bildete der Wirtschaftsprofessor Lucke mit seiner AfD.
Bekanntlich waren es Wirtschaftsprofessoren, die zweimal wegen des Euro vor das
Verfassungsgericht gezogen waren. Obwohl sie beide Male verloren haben, besitzen
sie die Sympathie weiter Kreise der Bevölkerung. Fast reichen die Leser von
Hans-Olaf Henkels letzten beiden Büchern für die Hälfte der Wählerstimmen aus.
Dass es 4,7% wurden, zeigt wie groß die Angst vor den Verlust der Ersparnisse
ist. Leider verkündete die AfD nur ein ‚So nicht!‘. Von einer wirklichen
Alternative hätte ich mehr erwartet.
Immer wieder
wurde der Kanzlerin im Wahlkampf vorgeworfen, sie erkläre ihre Politik nicht.
In journalistischer Überspitzung wurde daraus, dass sie einen unpolitischen
Wahlkampf führe. Manch ein Herausforderer glaubte dann, sich als Revolutionär
darstellen zu müssen, der keinen Stein auf dem andern lässt. Das ist, wie sich
herausstellte, eine zweischneidige Sache. Entweder erweckt dies beim Wähler
Zweifel an der Ehrlichkeit oder an der Solidität. Der Amtsinhaber jedoch tut
sich keinen Gefallen, wenn er einen Neuanfang verspricht. Das wäre ein
Eingeständnis, dass die bisherige Politik ein Fehler war. Natürlich kann man
nicht genug tun, um seine Politik immer wieder zu erklären. Wenn man damit erst
am Ende einer Wahlperiode beginnt, ist dies reichlich spät.
Es gab
Zeiten, als derjenige, der größere Politikbereiche neugestalten wollte, sich
als Reformer bezeichnete. Dieser Begriff ist in Misskredit geraten. Zu oft
führten handwerkliche Fehler oder Interessenkonflikte zu nicht befriedigenden
Lösungen. Diejenigen Politiker, die Reformen früh in ihrer Regierungszeit
durchführten, bekamen manchmal die Chance, sie zu korrigieren. Je komplexer
wirtschaftliche oder gesellschaftliche Verhältnisse sind, umso riskanter sind
Veränderungen. Da nicht alle Politiker im Ruf stehen, sich im Meistern von
komplexen Aufgaben bewährt zu haben, tendieren Wähler gerne in Richtung Status
quo. Vermutlich profitierte Angela Merkel von diesem Trend.
Ich gehe
davon aus, dass die nächste Bundesregierung einige Konsequenzen aus dem
Wahlergebnis ziehen wird. Die Frage ist nur welche. Noch ist dies ein Geheimnis
von Frau Merkel. Hätte die Union die absolute Mehrheit der Sitze errungen,
könnten wir vielleicht schon einige Anzeichen erkennen, in welche Richtung die
Reise geht. Wegen des erforderlichen Koalitionspokers müssen alle Beteiligten
sich noch bedeckt halten. Entscheidend wird sein, welches Thema die SPD als
Siegestrophäe ausguckt. Von den Steuererhöhungen, rein als Mittel des
Sozialausgleichs, ist sie bereits abgerückt. Wenn die Union ihr sagen würde,
wofür sie wie viel Geld ausgeben will, könnte es sein, dass die SPD das
mitträgt. Aufs Geldausgeben können sich Politiker bekanntlich leichter einigen
als aufs Sparen.
Dass man
sich nicht einigt, und dass die Grünen zum Lückenfüller aufrücken müssten, das
halte ich für unwahrscheinlich. Es ist nicht auszuschließen, dass der Stuttgarter
Oberrealo Winfried Kretschmann versuchen wird, die SPD in puncto Forderungen zu
unterbieten. Allerdings müsste er dann auch bereit sein, am Kabinettstisch in
Berlin persönlich Platz zu nehmen, um seiner Partei die Regierungsfähigkeit zu
verleihen. Das wird er aber aller Voraussicht nach nicht tun.
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