Der SPIEGEL hat diese Woche die Diskussion um das Ausspähen
der Bürger um zwei neue Informationen bereichert. Die US-Botschaft in Berlin
besitzt technische Einrichtungen auf
ihrem Dach, die gemeinsam von NSA und CIA genutzt werden. Außerdem hat das
Weiße Haus eingeräumt, im Handy von Kanzlerin Merkel seit 2005 einen Trojaner
platziert zu haben. Die Reaktion in der Öffentlichkeit, also in den Medien, hat
unterschiedliche Formen angenommen. Auch der neue Bundestag wird das Thema auf
seine Tagesordnung setzen.
Fernsehdiskussion
Ich gebe im Folgenden nur einige der Meinungen wieder, die am Sonntagabend in der Sendung von Günter Jauch zu Wort kamen. Auch sie sind nicht uninteressant.
Fernsehdiskussion
Ich gebe im Folgenden nur einige der Meinungen wieder, die am Sonntagabend in der Sendung von Günter Jauch zu Wort kamen. Auch sie sind nicht uninteressant.
Ex-Botschafter Kornblum: Was die NSA tut, ist dumm. Sie
überschreitet die Grenzen des Anstands im Umgang mit Partnern. Über das, was
während seiner Amtszeit in der US-Botschaft in Bonn geschah, darf er nichts
sagen. Das verbietet ihm sein Diensteid. Was jetzt in Berlin geschieht, davon
weiß er nichts. Snowden hat seine Geheimhaltungsverpflichtung gebrochen. Auch
in Amerika gibt es Prozeduren, wie man im Falle eines Gewissenskonfliktes
vorgeht, ohne zum Verräter zu werden. Die Deutschen sollten sich nicht nur als
hilfloses Opfer sehen. Ganz hoffnungslos ist die Situation noch nicht.
CDU-Abgeordneter Bosbach: Die amerikanischen Geheimdienste
scheinen eine 100% Erfassung und Speicherung des weltweiten Daten- und
Telefonverkehrs anzustreben. Unsere Geheimdienste arbeiten immer lokal
begrenzt, etwa in Afghanistan.
SPIEGEL-Reporter: Die USA sammeln Unmengen an Information,
um sie als politische oder wirtschaftliche Waffe zu nutzten. So kannte die
amerikanische UN-Botschafterin die interne französische Diskussion über Libyen,
ehe es zur Abstimmung im Sicherheitsrat kam. Alle Botschafter der USA freuen
sich über das gute Briefing über das Gastland, das sie vor Amtsantritt in der
NSA-Zentrale in Fort Meade bekommen.
Schriftstellerin July Zeh: Man solle nicht nur die
Amerikaner und Engländer als Bösewichte hinstellen. Was die heutige Technik
allen Unternehmen, Ganoven und Spionen erlaubt über die Privatsphäre einzelner
Personen zu erfahren, ist unglaublich. Das gab es noch nie. Die Grundrechte der
Amerikaner sind genauso bedroht wie unsere. Bei konventionellen und atomaren
Waffen kam es irgendwann zu Abrüstungsgesprächen. Im Cyberwar sind noch alle in
der Aufrüstungsphase. Zu verlangen, sich immer besser gegenseitig abzusichern,
ist ähnlich als wenn nur noch gepanzerte Autos auf die Straßen dürften.
Ranga Yoshewar: Er war erschüttert, als er hörte, was man
über seine Gesprächspartner erfahren kann, wenn er sein Handy nicht-eingeschaltet
in seiner Tasche bei sich führt. Er bedauert, dass Europa das ganze Geschäft
der Telekommunikation und des Internets an amerikanische Firmen verloren hat.
Beispiele waren Skype, das an eBay ging, und Nokia, das jetzt zu Microsoft
gehört. Nicht einzelne europäische Länder sollten mit Facebook und Google
verhandeln, sondern 28 EU-Länder gemeinsam (Nur zur Erinnerung: In Deutschland
verhandelt Schleswig-Holstein mit Facebook). Außerdem sieht er ein großes
Geschäftspotential für europäische Unternehmen, indem sie Cloud-Dienste
anbieten, die unsere deutschen Datenschutzbedingungen erfüllen.
Andere Meinungen
Andere Meinungen
Dem Nachrichtendienst Golem gab Hartmut
Pohl, der Sprecher des Präsidiumsarbeitskreises Datenschutz und
IT-Sicherheit der Gesellschaft für Informatik (GI) diese Woche ein Interview. Darin heißt es:
Pohl geht davon aus, dass die
Sicherheitsbehörden in Deutschland wissen, dass alle Personen in der
Bundesrepublik Deutschland vollständig abgehört werden. Dazu würden
Telefongespräche per Festnetz oder Mobiltelefon vollständig gespeichert. Auch
alle Dienste im Internet würden gespeichert und könnten entsprechend
ausgewertet werden, womöglich auch sofort. ... (Es) hören alle Staaten ab, die
es sich finanziell leisten können.
Meine Reaktion auf die aktuelle Phase der Diskussion war: Mir
kommt es etwas komisch vor, dass jetzt alle Experten Schadenfreude zeigen.
'Ätsch, wir haben es Euch doch gesagt'. Am Anfang der Snowden-Affäre schrieb
ich in diesem
Blog, man solle jetzt nicht gleich alle Zahlungen an Sicherheitsexperten
stoppen. Eigentlich müsste dies die Frau Merkel für ihre 'Experten' tun. Da
waren Stümper am Werk. Die NSA folgt eigentlich nur der Hacker-Ethik. Sie macht
Nutzer von Informatik-Produkten auf ihren Leichtsinn (oder ihre Dummheit)
aufmerksam. Hacker rechnen sich das stets als gute Tat an.
Hinzufügen möchte ich, dass ich keineswegs die Ansicht vertrete, dass das Bild eines
einsamen Hackers ausreicht, um die NSA zu erklären. Ihre Macht und ihr Effekt
sind erheblich größer. Die folgenden Überlegungen sind jedoch nicht ganz von
der Hand zu weisen: Die NSA war nach 9/11 unter enormen Druck der US-Regierung,
um Erfolge zu liefern. Sie bekam Geld und Rechte. Sie probierte alles Mögliche
aus. Man war möglicherweise selbst erstaunt, was alles funktionierte. Statt in
Ruhe (also über Jahrzehnte) aussortieren zu können, was man auf Dauer davon
braucht, hat Snowden sie bloßgestellt. Jetzt müssen sie überhastet das Meiste
wieder einstellen. Der Regierung gefällt das gar nicht.
Die NSA hat Hacker angeheuert und deren Methoden einfach
übernommen. Man glaubt sich im 'Cyberwar' zu befinden. Dass der Begriff
`Krieg' im Denken der Amerikaner schneller akzeptiert wurde als bei uns, dafür sorgte der letzte republikanische Präsident. Wenn die Europäer das alles nicht so sehen, muss man das einer gewissen
Naivität oder ihrem moralischen Dünkel zu Gute halten. Ob die ‚alten Europäer‘
jedoch noch die Kurve bekommen werden, ist fraglich. So interpretiere ich das Verhalten der
Amerikaner.
Nachtrag vom 21.12.2013:
Ich hatte einen in Datenschutzfragen bewanderten Juristen (Kollegen A. Rossnagel) gefragt, ob ihm der Begriff 'Privatsphäre' keine Schwierigkeiten bereite. Hier seine Antwort:
Der Begriff der Privatsphäre wird in der Informatik, im Recht und z.B. in der Soziologie recht unterschiedlich benutzt. Im Recht hat er einen relativ kleinen Bedeutungsbereich. Bei Schutz gegen Persönlichkeitseingriffe (insb. gegen Presse) steht er zwischen Intim- und Öffentlichkeitssphäre und bezeichnet einen Bereich, in den die Presse nur nach einer Abwägung am Maßstab der Verhältnismäßigkeit eindringen darf. Im Datenschutz ist der Begriff spätestens seit dem Volkszählungsurteil 1983 überholt, weil es für das Schutzgut des Datenschutzes nicht auf eine räumliche Sphäre ankommen darf. Auch Daten aus der Sphäre öffentlicher Tätigkeit können schutzwürdig sein. Als treffender hat sich der Begriff der informationellen Selbstbestimmung erwiesen, weil er besser gegen die Risiken der elektronischen Verarbeitung der Daten schützt.
Nachtrag vom 21.12.2013:
Ich hatte einen in Datenschutzfragen bewanderten Juristen (Kollegen A. Rossnagel) gefragt, ob ihm der Begriff 'Privatsphäre' keine Schwierigkeiten bereite. Hier seine Antwort:
Der Begriff der Privatsphäre wird in der Informatik, im Recht und z.B. in der Soziologie recht unterschiedlich benutzt. Im Recht hat er einen relativ kleinen Bedeutungsbereich. Bei Schutz gegen Persönlichkeitseingriffe (insb. gegen Presse) steht er zwischen Intim- und Öffentlichkeitssphäre und bezeichnet einen Bereich, in den die Presse nur nach einer Abwägung am Maßstab der Verhältnismäßigkeit eindringen darf. Im Datenschutz ist der Begriff spätestens seit dem Volkszählungsurteil 1983 überholt, weil es für das Schutzgut des Datenschutzes nicht auf eine räumliche Sphäre ankommen darf. Auch Daten aus der Sphäre öffentlicher Tätigkeit können schutzwürdig sein. Als treffender hat sich der Begriff der informationellen Selbstbestimmung erwiesen, weil er besser gegen die Risiken der elektronischen Verarbeitung der Daten schützt.
Am 29.10.2013 schrieb Peter Hiemann aus Grasse:
AntwortenLöschenich betrachte das NSA-Phänomen unter mehreren Aspekten:
(1) Die heutigen global agierenden Institutionen versuchen, die Kontrolle über Transaktionen zu erhalten oder zu gewinnen, die ihnen schon seit geraumer Zeit entglitten ist. Das betrifft sowohl ökonomische als auch politische Transaktionen. Nicht nur in den USA.
(2) Die bewährten Kontrollmöglichkeiten betreffen den Einsatz von Kapitalflüssen und die Entwicklung bzw. Nutzung von Informationssystemen und Waffensystemen. Nicht nur in den USA.
(3) Moderne Kontrollmethoden erfordern moderene Informationstechnologie. Die USA werden mit allen Mittel versuchen, anderen Staaten immer einen Schritt voraus zu sein. Ob das weiterhin gelingt, wird heftig bezweifelt (siehe Ihr Blog-Eintrag "Vergesst Europa und die USA, denn in Zukunft spielt die Musik woanders" vom 25.10.2013)
Von Regierungsinstitutionen wird erwartet, dass sie "Kontrollpflichten" nachkommen bei gleichzeitiger Einhaltung individueller Freiheitsrechte und allgemeiner Menschenrechte. Diesen Erwartungen können (wollen?) Regierungen nicht erfüllen. Entweder auf Grund mangelnder Kenntnisse "systemischer" Zusammenhänge oder auf Grund gegebener Umstände oder gar Notwendgkeiten. Im Falle NSA ergibt sich der Eindruck, dass der Regierung der USA die Kontrolle über ihre eigene Institution entglitten ist.
Ist es sinnvoll, wünschenswert und möglich, dass sich Informatiker daran beteiligen, umfassende "systemische" Zusammenhänge zu untersuchen und Regierungsvertreter bei schwierigen Fragestellungen zu unterstützen? Im Falle NSA haben Informatiker lediglich dafür gesorgt, gewaltige Computersysteme und spezielle Software zu entwicklen und zu installieren.
Am 30.10.2013 schrieb Hartmut Wedekind aus Darmstadt:
AntwortenLöschenFrüher galt der Grundsatz: Um zu ermitteln zu können, braucht man einen begründeten Anfangsverdacht. Der Verdacht steht am Anfang, das Ermitteln am Ende. Heute gilt in den USA offensichtlich das Umgekehrte: Um einen Verdacht begründen zu können, wird ausgespäht (engl: auch „to peep“, wie in einer „peep show“). Also erst ein Ermitteln (peeping), um dann einen Verdacht (suspicion) vorzulegen. Das Wort „Anfangsverdacht“ (initial suspicion) gibt es nicht mehr, weil der Verdacht nicht mehr am Anfang steht. In Bayern sagt man.:“Spaß muss sein bei der Leich, sonst geht niemand hin“.
Das Weiße Haus in einer „peep show“? Soll man lachen oder doch weinen? Viele Amerikaner sagen: „We are silly (albern)“ und lachen über ihre Administration.
NB (Bertal Dresen): Selbst bei den treuesten Lesern kann ich nicht erwarten, dass sie alles behalten, was bereits in diesem Blog behandelt wurde. Ich hatte erklärt, dass bei einem Selbstmordattenäter mache Dinge neu durchdacht werden müssen. Es ist z. B. sinnlos, über das Strafmaß zu diskutieren. Selbst die Wiedereinführung der Todesstrafe würde ihn kaum abschrecken. Dann gibt es das Phänomen des Schläfers. Das ist ein Täter, der möglichst keinen Anfangsverdacht liefert. Man dürfte also nicht nach ihnen suchen, wenn es nach Kollegen Wedekind geht. Man kann nur hoffen, dass er, um zuzuschlagen ins Ausland geht. St. Florian-Prinzip heißt das bei der Feuerwehr.
Noch am 30.10.2013 ergänzte Hartmut Wedekind:
AntwortenLöschenAber: Frau Merkel verbittet es sich, unter irgendeinen Anfangsverdacht gestellt zu werden. Sie denkt im klassischen Stil: Erst ein Anfangsverdacht (A) und dann das Ausspähen (B). Sie sagte : Man hegt also gegen mich in den USA einen Anfangsverdacht (A), weil ich ausgespäht werde (B). Das ist ein klassisch logischer Schluss nach dem modus ponens. (A ; A ®B ergo B). Wörtlich sagte sie dann : „Das geht nicht“. Der Schluss ist zwar richtig aber die Prämisse, der Anfangsverdacht (A) ist falsch. Und dann schickt sie hinterher: Ex falso quodlibet, aus Falschem folgt Beliebiges. Und genau das Beliebige meint sie mit dem ihrem „das geht nicht“. Sie pocht darauf, keine Beliebigkeit zu sein. Ich glaube, die Amerikaner haben das verstanden, obwohl es Logik ist.
Zentral in dem ganzen Geschäft ist der Begriff „Anfangsverdacht“ auch in Sachen vorbeugender Kriminalität. Juristen (Staatsanwälte) müssten eigentlich sehr genau sagen können, was man darunter zu verstehen hat. Können sie das? Vermutlich nicht.
NB (Bertal Dresen): Sie konnten mal wieder nicht widerstehen mit logischen Knüppeln zu werfen. Es geht hier – wie auch sonst meistens – nicht um Logik, sondern um Semantik. Es geht nicht um die Feststellung einer rechtlichen Lage, sei es nach der Zivil- oder der Strafprozessordnung. Es geht darum, was ist machbar oder erreichbar (engl. feasable or achievable). Im Cyberwar wie im konventionellen Krieg wird nicht ‚ermittelt‘. sondern ‚erkundet‘. Vor 200 Jahren machten das leichte Reiter, heute hilft das Internet. Man betreibt strategisches Explorieren eines Geländes. Man erkundet den Bewuchs, die Wasserläufe, ob es Felsformationen, ob es Wildwechsel gibt. Insbesondere möchte man wissen, wer sich dort aufhält. Sind es unsere Freunde, unsere Feinde, oder die Freunde unserer Feinde.
Nachrichtendienste interessiert alles, was gut zu wissen ist. Wozu es tatsächlich nützlich ist, stellt sich meist erst später heraus. Die Spione der NSA bekommen Selektionsschablone. Darauf steht, was im Moment die Auftraggeber interessiert.
Hartmut Wedekind ließ nicht locker:
AntwortenLöschenIhre Argumentation ist der Ausgangspunkt für jede Polizeistaatlichkeit. Das hatten wir doch schon mehrfach in Deutschland und der Welt. Gelandet ist das Ganze immer auf dem Kehrichthaufen der Geschichte. Geht Amerika diesen Weg? Das ist die Frage..
NB (Bertal Dresen): ... wozu ich mal nichts sage. Vielleicht tut es jemand anderes.
Heute am 31.10.2003 in der Süddeutschen Zeitung:
AntwortenLöschenWährend Deutschland und die USA über die mutmaßliche Überwachung von Merkels Handy debattieren, redet Frankreichs Handelsministerin Bricq Klartext. Ihr Land müsse bei der Wirtschaftsspionage "besser werden als Deutsche, Briten und Amerikaner". Tatsächlich gibt es Hinweise, dass die Franzosen schon jetzt den Vergleich mit China nicht scheuen müssen.
http://www.sueddeutsche.de/politik/franzoesische-internet-ueberwachung-das-boese-reich-der-wirtschaftsspionage-1.1807103
Am 1.11.2013 schrieb Hartmut Wedekind aus Darmstadt:
AntwortenLöschenÜbrigens: Dass ein Botschafter einer verbündeten Nation in Wirklichkeit Kundschafter (Spion) ist, dass seine Botschaft ein Spionagezentrum ist, dass die NSA (National Security Agency) eine Falschbezeichnung ist und in Wirklichkeit NEA (National Espionage Agency) heißen müsste, das habe ich alles nicht gewusst. Ich wurde getäuscht. Bin ich jetzt naiv oder einfältig, weil ich mich wie viele andere auch täuschen ließ?
Antwort: Ja, ich bin naiv, weil ich wissen musste, dass Geheimdienste mit allen erlaubten und unerlaubten Mitteln (z.B. Täuschung) arbeiten. Bloß, was aus Täuschungen heraus kommt, ist bekannt (quodlibet): Ein Abgeordneter Ströbele darf z.B. in Moskau beim Besuch des Herrn Snowden auf offener Bühne den Amerikanern in den Hintern treten; und die Washington Post tritt wahrscheinlich hinterher. Haben die Amis jetzt ihr Watergate II? Alles quodlibet!
NB (Bertal Dresden): Gratuliere zum Lernfortschritt! Ich halte Snowden übrigens für klug genug, dem Ströbele und seinen Begleitern zu raten, alle elektronischen Geräte (Handys, Kameras, usw.) im Hotel zu lassen. Hätte ich mich getäuscht, wird Snowden bald in den USA sein
Ebenfalls am 1.11.2013 schrieb Peter Hiemann aus Grasse:
AntwortenLöschenMaybritt Illner hatte gestern eine „Expertenrunde“ zusammengestellt, die meines Erachtens die heutige digitale Vernetzung real einschätzten und ein paar Möglichkeiten diskutierten, wie mit dem Thema NSA nicht nur emotional und defensiv sondern auch rational und aktiv umgegangen werden könnte.
Um falsche Sentimentalität gar nicht erst aufkommen zu lassen, stellte die Gastgeberin von vornherein klar, dass es Freundschaft zwischen Staaten ohnehin nicht geben könne, sondern lediglich Interessen. Damit war dem Merkel-Wort über das "Ausspähen unter Freunden", das angeblich gar nicht geht, sozusagen schon der ideelle Boden entzogen. Und das passte auch ganz gut zu dem vorherrschenden Sound der ganze Sendung, die unter der Frage stand, ob wir uns nun vor der "digitalen Besatzungsmacht" schützen müssen: ein merkwürdiger Mix aus Ratlosigkeit und Kraftmeierei mit einem Schuss metaphorischer Militanz.“ (Spiegel Online)
In den kommenden Monaten wird sich zeigen, ob die streitenden Vertragsparteien die Fähigkeiten besitzen, institutionelle Programme so zu ändern, dass Kooperation zwischen ihnen möglich ist. Es wird auch darauf ankommen, dass jede Partei zusätzliche Entwicklungen auf dem IT-Sektor betreibt, die unerwünschten Zugriff auf Daten verhindern.
Ebenfalls am 1.11.2013 schrieb Hartmut Wedekind:
AntwortenLöschenAuf unserem letzten Emeritus-Treffen im Juli dieses Jahres hat mein Kollege Fridolin Hofmann (Betriebssysteme) es uns allen sehr deutlich gesagt: „Sicher gegenüber dem Netz ist man nur, wenn man eine netzseparate Verschlüsselungsmaschine neben sich stehen hat und den verschlüsselten Text in einem zweiten Arbeitsgang übertragt. D.h.: Tastaturen oder sonstige bequeme Eingabemedien sind verboten, weil die abgefangen werden können.“ Und dann Hofmann weiter: „Ansonsten hilft nur die Demokratie mit ihrem ‚Check and Balance‘“.
Und genau die werden die Amerikaner wahrscheinlich im eigenen Land zu spüren bekommen, weil sie unklug sind. Eigentlich könnte jetzt ein Rabatz losgehen, wie bei Watergate I. Oder sind die amerikanischen Medien wegen 9/11 zahmer geworden? Journalisten leben doch von Skandalen (allgemeine Entrüstung oder Empörung). Das Wort stammt vom griechischen Skandalon (= Falle). Ein Skandal entsteht, wenn Opfer in eine (unerkannte) Falle laufen. Die Falle wurde mit Snowden und seiner Flucht im Mai 2013 für alle schrittweise sichtbar.
NB (Bertal Dresden): Der Vergleich mit der Watergate-Affäre hinkt gewaltig. Dort ging es laut Untersuchungsbericht des Kongresses um gravierende „Missbräuche von Regierungsvollmachten“, um sich im innerpolitischen Machtkampf Vorteile zu verschaffen. Alle Anhänger der Demokraten, also fast die Hälfte der Bevölkerung, sah großen Schaden auf sich zukommen.
Die NSA versucht, im Zusammenspiel mit der Armee und 15 andern geheimdienst-ähnlichen Organisationen der USA zu verhindern, dass 9/11 sich wiederholt. Es war – wie einst vor Pearl Harbor – kein Krieg erklärt. Die Flieger kamen nicht übers Meer, sondern starteten innerhalb des Landes. Sie waren alle von jungen Ausländern gesteuert. Die Abwehrstrategie hat daher folgende Fixpunkte: Gruppen junger Ausländer, moderne Technik, nicht adhoc zuschlagend, sondern konspirativ planend. Warum sollen sich Amerikaner aufregen, wenn ihre Beauftragten im Ausland ein paar Steine mehr umdrehen als in der Vergangenheit? Dass die Verteidigung ihres Landes Geld kostet, haben sie akzeptiert. Soldaten-Friedhöfe haben sie auch genug.
Am 2.11.2013 schrieb Calvin Arnason aus Portland, Oregon:
AntwortenLöschenRight up to December 7th, 1941 [i.e. Pearl Harbor] there was a strong majority of Americans against getting involved in any foreign wars. They saw how worthless their sacrifice was in the previous war. Part of the damn legacy of being pulled into WW II and contributing to its outcome is that American government leaders and much of the population believe it is our responsibility to get involved in ANYTHING that happens ANYWHERE in the world. It is an (unavoidable?) accompanying cancer of super-power. That is how I "explain" to myself the madness that was the Vietnam War.
My brother keeps on emphasizing that while Bush/Cheney (a curse on them both !!) set the stage for much of today's growth of the Military Industrial Complex, Obama has continued and accelerated the pace in the same direction. And Romney wanted MORE - more Navy ships especially. I want to man and maintain WAY LESS ships. If the Sunnis and the Shia want to go to war with each other, I don't want Americans there between the fronts, or on one side or the other.
Übrigens: Der irakische Ministerpräsident Maliki besucht gerade die USA. Auf seiner Wunschliste stehen zwei Dinge, für die die USA besonders kompetent sind: Waffen und Geheimdienst-Informationen. Von direkter militärischer Unterstützung ist keine Rede.
AntwortenLöschenIch vermute US-Präsident Obama wird ihm sagen müssen: Waffen bekommst du so viel du willst. Unsere Geheimdienste können gerade keine neuen Aufträge akzeptieren. Ed Snowden sei es gedankt.
Gestern Abend gab der stellvertretende SPD-Vorsitzende Oppermann in der Tagesschau eine Kostprobe seiner außenpolitischen Begabung. Wir sollten Snowden einladen, um von ihm verlässlich zu erfahren, was amerikanische Dienste wie die NSA alles tun.
AntwortenLöschenDass es zwischen Regierungen (einst) befreundeter Staaten auch andere Möglichkeiten gibt, um Informationen auszutauschen, das hält er wohl nicht (mehr) für möglich.
Am 13.11.2013 schrieb Peter Hiemann aus Grasse:
AntwortenLöschenMeine Einstellung zu Snowdens Veröffentlichungen ist:
(1) Ich kenne Snowdens Motivation nicht und lehne generell ab, über Charaktereigenschaften einer Person zu spekulieren.
(2) Snowden hat auf eine grundlegende Lücke hingewiesen, die sowohl die in der deutschen Verfassung garantierten Grundrechte als auch Gesetze, die internationale Beziehungen regeln, betreffen.
(3) Es ist offensichtlich, dass die verfügbaren technischen Mittel, um schutzbedürftige private Kommunikationen zu erfassen und auszuwerten in der Hand diktatorischer Regierungen Ursache für Unterdrückung der Bevölkerung ist.
(4) Demokratisch organisierte Gesellschaften brauchen zusätzliche Gesetze, die die Erfassung von privaten Daten und deren digitale Auswertung beschränken.
(5) Es ist offensichtlich, dass der technische und personelle Aufwand der NSA ausser Kontrolle (zu gross) geraten ist. Ich bin gespannt, ob und wie der US Senat die Mittel für zukünftige NSA Operationen zurückführen wird.
Heute Morgen wörtlich bei Euronews:
AntwortenLöschen"Kurz vor dem Abflug in den Weihnachtsurlaub nach Hawaii hat US-Präsident Barack Obama die Abhörprogramme des Geheimdienstes NSA verteidigt. Es müsse jedoch strengere Kontrollen geben, sagte er auf der Jahrespressekonferenz. Für Januar kündigte er an, Änderungen an den umstrittenen Spionagepraktiken bekannt zu geben. Er habe Vertrauen darin, dass die NSA nicht im Inland überwache oder herumschnüffele.
Gleichzeitig räumte er ein, dass es Änderungen geben müsse in Zeiten neuer Technologien, damit Menschen wieder Vertrauen schöpften. Obama bedauerte den Vertrauensverlust im In- und Ausland. Er kündigte an, möglicherweise auch private Firmen mit den Datensammlungen zu beauftragen. Gleichzeitig wiederholte der US-Präsident seine Kritik an Edward Snowden. Der frühere Geheimdienstmitarbeiter hatte den Skandal öffentlich gemacht."