Mittwoch, 3. Juli 2019

Meinungsbildung und Orientierung in Europas Gesellschaften (Essay von Peter Hiemann)

Diese Woche demonstrierten die europäischen Regierungschefs, wie desolat das Verhältnis zwischen ihnen ist. Sie haben auch bewiesen, dass für sie die Existenz des EU-Parlaments für die Besetzung der EU-Spitzenjobs keine wesentliche Rolle spielt. Nach zähen Verhandlungen einigte man sich auf ein Paket, dem schließlich alle 28 zugestimmt haben. Das Vereinigte Königreich stimmte ja noch ein letztes Mal mit. Auch unter den verbleibenden 27 sind die Unstimmigkeiten keineswegs ausgeräumt. Die Regierungen Ungarns, Polens und Italiens haben anscheinend nicht (mehr) das Ziel einer erfolgreichen EU. Das destruktive Paar Bannon und Salvini arbeitet energisch auf verschiedenen Ebenen weiter.

Peter Hiemann hat in den vergangenen Wochen einige Überlegungen zu den Themen Meinungshoheit und Orientierung angestellt. Es geht dabei um gesellschaftliche Navigation in der derzeitigen komplexen Welt. Die Assoziation mit einem Navi-System liegt zwar nahe, ist aber fern jeder Realisierbarkeit. Hiemann ist gerne bereit, sich der Diskussion zu stellen.

Klicken Sie bitte hier, um an den Essay zu gelangen.

3 Kommentare:

  1. Viele Vorschläge die EU zu reformieren erweisen sich als problematisch, wenn man eine einzige Zahl bedenkt: 32.000. Das ist die Anzahl der derzeit Festangestellten der EU. Die EU-Kommission ist kein Wanderklub sondern eine ganze Kleinstadt.

    Beim EU-Parlament denke ich stets an Nigel Farage und Martin Sonneborn. Manche Leute glauben jedoch, dass nur die mit ungleicher Stimmenzahl gewählten Volksvertreter die wahre Quelle demokratischer Legitimation seien, nicht jedoch die im EU-Rat vertretenen 27 Landeschefs.

    Da Angela Merkel ihren Favoriten, den CSU-Politiker Manfred Weber, gegenüber Macron, Rutte u.a. nicht durchsetzen konnte, ließ sie ihn fallen. Am Rande des G20-Gipfels in Osaka akzeptierte sie den Sozialisten Frans Timmermans. Diese Lösung scheiterte jedoch am Widerstand der so genannten Visigrad-Gruppe, bestehend aus Polen, Tschechien, Slowakei und Ungarn. Diese vier ehemaligen Ostblockländer haben sich seit der Flüchtlingskrise vom Rest Europas abgesondert. Jetzt hielten sie Timmermans vor, einst ihre rechtsstaatlichen Eskapaden im Auftrag der EU kritisiert und juristisch verfolgt zu haben. Mich erinnert das etwas an die Mafia, die Polizisten als Feinde bekämpft, egal wo sie auftreten.

    Nicht alle Probleme der EU lassen sich in Brüssel lösen. Ursula von der Leyen muss – sollte sie den Spitzenjob erhalten – nicht nur an Trump, Xi und Putin denken, sondern auch an Orban, Kaczynski und Salvini.

    AntwortenLöschen
  2. Peter Hiemann schrieb: Zur Klarstellung des Begriffs 'Navigation' und zum Status der EU-Administration, sind einige Hinweise angebracht:
    • In dem Essay zum Thema 'Navigation Gesellschaft' wird der Begriff 'Navigation' in folgendem Sinn verwendet: Es existieren gesellschaftliche Zielsetzungen und Methoden, wie Ziele erreicht werden sollen.
    • Von den Experten der EU-Administration wird erwartet, dass sie in der Lage sind, gesellschaftlichen Zielsetzungen und Methoden der EU-Mitgliedstaaten vermittels EU-Methoden einzuschätzen.
    • Von der Führung der EU wird erwartet, dass sie konkrete Zielsetzungen und Methoden etabliert, wie ein liberales, demokratisches Europa erhalten und weiterentwickelt werden soll.
    • Es existiert kein 'Navigationssystem', das die Dynamik und Zukunft gesellschaftlicher Systeme abbilden könnte. Die Vorstellung eines idealen Gesellschaftssystems und entsprechendem Tool 'Navi' ist irreführend.

    Die derzeitige EU-Administration wird von Bevölkerungen kritisiert ('genießt' einen schlechten Ruf'):
    • Sie gilt mit 32 000 Festangestellten als bürokratisches Monster.
    • Sie wird von Bevölkerungen als ineffektiv eingeschätzt.
    • Für die Öffentlichkeit ist nicht ersichtlich, welche Rolle das EU-Parlament für EU-Entscheidungen spielt.
    • Sie gilt als Gelegenheit, nationalen politischen Vertretern in Brüssel einen lukrativen Job zu verschaffen.

    Die derzeitige Struktur der EU-Administration wird von einigen Mitgliedstaaten abgelehnt. Diese fordern Reformen. Es ist offensichtlich, dass Strukturen der EU-Administration nur langfristig zu reformieren sind. Kurzfristig sind aber einige reformatorische Aktionen möglich:
    • EU-Prozeduren, die der Koordination europäischer Aktionen dienen, werden mit EU-Mitgliedstaaten abgestimmt.
    • EU-Bereiche für Koordination erhalten EU-Computersysteme, die umfassende Analysen gesellschaftlicher Zustände ermöglichen, und mit Computersystemen der Mitgliedstaaten interagieren können.

    EU-Jobs, die nationale Verwaltungsaufgaben wahrnehmen, sind Kandidaten, eliminiert zu werden. Sie werden besser von Mitgliedstaten wahrgenommen. Offensichtlich stellt sich derzeit die entscheidende Frage: Wollen alle führenden Vertreter der EU-Mitgliedsstaaten überhaupt eine Reform der EU-Administration?

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Bertal Dresen erwiderte: Da ich die Zahl der EU-Angestellten genannt habe, fühle ich mich mitschuldig an der Reaktion, die diese Zahl hervorruft. Sie ist vor allem ein Ausdruck der administrativen Verantwortungen, welche die Länder an die EU ‚delegiert‘ haben. Beispiele sind: (a) moderne Regelungen und Verträge für Handel, Verkehr, Umwelt und Gesundheit, die Länder wie Malta, Zypern oder Luxemburg längst nicht mehr allein aushandeln oder übernehmen können. (b) Sammlung statistischer Daten, wie sie von den EU-Abgeordneten oder den Ländern gefordert werden. (c) Verteilung von Geldern und anschließende Kontrolle für die riesigen Subventionen, die zum Schutz ganzer Branchen wie etwa der Landwirtschaft ausgegeben werden (d) Zollkontrollen für die EU-Grenze und Abwehr von Flüchtlinge. (Stichwort Frontex). (e) Kultur- und Schüleraustausch. Diese Liste wird von Jahr zu Jahr länger. Nur vergessen es die Leute, wofür sie einstmals eine Regelung bekommen haben. Diese rückgängig zu machen, ist de facto unmöglich - nicht nur der Beamten wegen. Die Administration kennt nur eins, sie wächst und wächst. Schließlich muss sie sich auch noch selbst verwalten.

      Was die Abgeordneten betrifft, habe ich eine denkbar schlechte Meinung. Jemand wie Martin Schulz machte sich selbst wichtig, indem er zu allem etwas sagte, und sich selbst überall hin einlud, Seine Vor- und Nachfolger sind da ganz anders. Wie Hiemann im Essay sagte, sollte man das Parlament als Erstes ganz abschaffen. Es ist eine einzige Geldvernichtungsmaschine. AKK war so dumm zu sagen, dass man den wöchentlichen Wechsel zwischen Straßburg und Luxemburg nach 50 Jahren beenden könnte. Ursula von der Leyen hat eine derartige Aussage nicht gemacht – daher ist ja auch sie Macons Liebling.

      Was man endlich einsehen sollte, ist Folgendes. Es wird auch in 100 Jahren kein europäisches Wahlvolk geben. Wir wählen ins EU-Parlament AfDler und unsere Sorte von Grünen, die weder wissen noch interessiert, was anderswo in Europa gebraucht wird. Sie kosten zwar Geld, richten aber weniger Schaden an als Nigel Farage und seine Freunde aus Frankreich und Italien – von der Visigrad-Gruppe ganz zu schweigen.

      Löschen

Hinweis: Nur ein Mitglied dieses Blogs kann Kommentare posten.