Dienstag, 5. Juni 2012

Fregestadt Wismar – eine Initiative

Am 4.6.2012, 21:58 Uhr, schrieb Hartmut Wedekind aus Darmstadt:

Mal sehen, ob wir das schaffen, Wismar als „Fregestadt Wismar“ empor zu stilisieren. Frau Rosemarie Wilcken ist die langjährige Bürgermeisterin von Wismar und jetzt Chefin der Stiftung Denkmalschutz (DSD). Eine Power-Frau (siehe Wikipedia). Sie ist Nachfolgerin vom berühmten und genialen Kisow, dem Schöpfer des DSD. Kisow ist kürzlich verstorben.

Logik und Informatik sind ihr natürlich fremd. Wir haben uns jetzt in Wismar aber lange unterhalten. Herr Stybel ist jetzt ihr Sachverwalter bei der Stadt. Als Klammerzusatz im Sinne von Hansestadt Wismar (Fregestadt), um später nur noch „Fregestadt Wismar“ zu sagen, reichen die Argumente doch aus. Das mit der „Hanse“ ist doch alter, vergangener Bürgerstolz und  von keinem bleibenden Wert. Seit der Dampfschifffahrt gibt es keine Hanse mehr. Basta. Und Frege bleibt!

Nachfolgende Mail vom selben Tag war beigefügt.
(Sie ging von Hartmut Wedekind an Kai-Michael Stybel, den Leiter der Tourismuszentrale in Wismar)

Betreff: "Fregestadt Wismar" Wismar bedarf eines weiteren Anschubs!

„Die Ideologie trennt die Menschen, die Logik bringt sie zusammen“

Lieber Herr Stybel,

Ich komme zurück auf unser Gespräch in Wismar über Gottlob Frege in St. Georgen am letzten Freitag (1.6.). Ich war Mitglied  der DSD-Gruppe „Backsteingotik“ unter der Leitung von Frau Heidi Gerber. 

Es ist unter Fachleuten der sprach- und philosophischen Logik unbestritten, dass Gottlob Frege zu den ganz Großen der Wissenschaftsgeschichte gehört. Fragt man Logiker heute, wer zu den  Bedeutendsten gehört, werden vier Namen genannt: Aristoteles (384- 322 v. Chr.), Gottlob Frege (1848 – 1925), Alfred Tarski (1901-1983) und Kurt Gödel (1906-1978).


Man kann  sehr genau sagen, welchen enormen Beitrag jeder dieser Wissenschaftler geleistet hat. Frege ist in der nacharistotelischen Zeit hervorzuheben, weil er die Logik im 19. Jahrhundert neu entdeckt und  neu geformt hat. Als Anhang finden Sie ein hübsches Bildchen dieser vier „Alten Herrn“. Auffallend ist, dass der berühmte Leibniz nicht dazu gehört. Aber zum Kerngebiet der Logik hat Leibniz (*Leipzig,+ Hannover, Student in Jena) kaum etwas beigetragen. In der „Hall of Fame“ der Universität Jena prangt er aber Seite an Seite neben Frege (siehe Internetauftritt der Uni Jena).

Die herausragende Stellung  Freges  ist vom  Kollegen Lämmel von der Hochschule Wismar prägnant beschrieben worden:  http://www.wi.hs-wismar.de/~laemmel/Sonstiges/Frege/frege.html. Hervorzuheben ist durch mich als Informatiker (Prof. em. der Uni Erlangen-Nürnberg) die  enorme Bedeutung Freges für die Elektronische Datenverarbeitung. Ohne Freges Logik gäbe es zum Beispiel keine Suchmaschine à la Google; und diesen Brief könnte ich Ihnen ohne die Fregeschen Grundlagen auch nicht  so schreiben.

Mein Vorschlag: Umbenennung der „Stadt Wismar“ in „Fregestadt Wismar“.

Ich sollte begründen, weshalb dieser Vorschlag Erfolg haben könnte: Es gibt diverse schmückende Attribute für Städte, die auf Besonderheiten hinweisen wollen. Seit meiner Emeritierung lebe ich in Darmstadt, eine Stadt, die sich seit einigen Jahren wegen des enormen wissenschaftlichen Potenzials „intra mures“  nun „Wissenschaftsstadt Darmstadt“ nennt, ein Titel, der ihr  von der Landesregierung in Wiesbaden verliehen wurde. In Mecklenburg-Vorpommern gibt es  die „Reuterstadt Stavenhagen“. In meiner Heimat in Westfalen ziert sich Lennep  seit langem schon  mit dem Namen „Röntgenstadt Lennep“. Auffallend ist, dass offensichtlich nur kleinere Städte bei einer Auszeichnung  zur Debatte stehen. Zudem muss häufig  eine berühmte, einzigartige Person zur Auszeichnung  herangezogen werden. Unmöglich wäre es z.B., von der Goethestadt Frankfurt, von der Dieselstadt München  oder Leibnizstadt Hannover zu sprechen. Die Großen sind übersättigt und bedürfen nicht einer besonderen Auszeichnung. Die stehen wie Götter am Himmel und lächeln milde.

Es gibt kompetentere Leute als ich es bin, um über  die Bedeutung Freges zu urteilen. Mein Kollege Christian Thiel in Erlangen von der Philosophischen Fakultät hat mich eigentlich in Sachen Frege immer belehrt. Das Problem, das vorliegt, ist aber eigentlich im Wesentlichen politisch.

Was hat der Denkmalschutz  damit zu tun? Es gibt zwei Arten von Denkmälern, sichtbare und unsichtbare. Die Deutsche Stiftung Denkmalschutz (DSD) beschäftigt sich ausschließlich mit sichtbaren Denkmälern. Warum, so lautet meine Frage, sollte der sichtbare Denkmalschutz, die DSD, nicht im Huckepack auch den unsichtbaren Denkmalschutz fördern. Denkmal heißt wörtlich: ein Mal (= Zeichen)  zum Denken. Logik ist nun Denken in Reinkultur. Wenn nun einer der größten Logiker aller Zeiten zur Verfügung steht, warum sollte man ihn nicht zu einem Denkmal empor stilisieren, um ihn auch  sichtbar zu machen? Das ist der Punkt, den ich machen will.

Mit freundlichen Grüßen Ihr H. Wedekind

Nachbemerkung

Was immer dieser Blogger tun kann, um die obige Initiative zu unterstützen, tue ich gerne. Vielleicht haben die Leserinnen und Leser hilfreiche Ideen. Eine Unterschriftensammlung zum Beispiel ließe ich leicht organisieren.

 
Am 9.6.2012 schickte Hartmut Wedekind folgenden Nachtrag:

Ich kann doch schon  recht gut mit meinem neuen iPhone umgehen  ̶  so auch jetzt, letzte Woche auf der Backsteingotik-Tour mit der DSD (Deutsche Stiftung Denkmalschutz) in Wismar (siehe Anhang). Man muss nicht erst 20 sein, 57 Jahre später geht das auch noch.

„Damit die Vergangenheit eine Zukunft hat“  lautet der Wahrspruch der DSD, leider nur zuständig für sichtbare Denkmäler. Der Wahrspruch gilt aber auch für unsichtbare Denkmäler, dazu gehört aber, mit Sicherheit, auch die Logik mit ihren prominentesten Vertretern. Es muss nicht alles aus Stein mit oder ohne  Farbe sein, um ein Denk-Mal, ein Mal zum Denken, für uns darzustellen.

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