Am 4.6.2012, 21:58 Uhr, schrieb Hartmut Wedekind aus
Darmstadt:
Mal sehen,
ob wir das schaffen, Wismar
als „Fregestadt Wismar“ empor zu stilisieren. Frau Rosemarie Wilcken ist
die langjährige Bürgermeisterin von Wismar und jetzt Chefin der Stiftung
Denkmalschutz (DSD). Eine
Power-Frau (siehe Wikipedia). Sie ist Nachfolgerin vom berühmten und genialen
Kisow, dem Schöpfer des DSD. Kisow ist kürzlich verstorben.
Logik und Informatik sind ihr natürlich fremd. Wir haben uns jetzt in Wismar aber lange unterhalten. Herr Stybel ist jetzt ihr Sachverwalter bei der Stadt. Als Klammerzusatz im Sinne von Hansestadt Wismar (Fregestadt), um später nur noch „Fregestadt Wismar“ zu sagen, reichen die Argumente doch aus. Das mit der „Hanse“ ist doch alter, vergangener Bürgerstolz und von keinem bleibenden Wert. Seit der Dampfschifffahrt gibt es keine Hanse mehr. Basta. Und Frege bleibt!
Nachfolgende Mail vom selben Tag war beigefügt.
(Sie ging von Hartmut Wedekind an Kai-Michael Stybel, den Leiter der Tourismuszentrale in Wismar)
(Sie ging von Hartmut Wedekind an Kai-Michael Stybel, den Leiter der Tourismuszentrale in Wismar)
Betreff: "Fregestadt Wismar" Wismar bedarf eines weiteren Anschubs!
„Die
Ideologie trennt die Menschen, die Logik bringt sie zusammen“
Lieber Herr
Stybel,
Ich komme
zurück auf unser Gespräch in Wismar über Gottlob Frege in St. Georgen am
letzten Freitag (1.6.). Ich war Mitglied der DSD-Gruppe „Backsteingotik“
unter der Leitung von Frau Heidi Gerber.
Es ist unter
Fachleuten der sprach- und philosophischen Logik unbestritten, dass Gottlob
Frege zu den ganz Großen der Wissenschaftsgeschichte gehört. Fragt man Logiker
heute, wer zu den Bedeutendsten gehört, werden vier Namen genannt:
Aristoteles (384- 322 v. Chr.), Gottlob Frege (1848 – 1925), Alfred
Tarski (1901-1983) und Kurt Gödel (1906-1978).
Man kann sehr genau sagen, welchen enormen Beitrag jeder dieser Wissenschaftler geleistet hat. Frege ist in der nacharistotelischen Zeit hervorzuheben, weil er die Logik im 19. Jahrhundert neu entdeckt und neu geformt hat. Als Anhang finden Sie ein hübsches Bildchen dieser vier „Alten Herrn“. Auffallend ist, dass der berühmte Leibniz nicht dazu gehört. Aber zum Kerngebiet der Logik hat Leibniz (*Leipzig,+ Hannover, Student in Jena) kaum etwas beigetragen. In der „Hall of Fame“ der Universität Jena prangt er aber Seite an Seite neben Frege (siehe Internetauftritt der Uni Jena).
Die
herausragende Stellung Freges ist vom Kollegen Lämmel von der
Hochschule Wismar prägnant beschrieben worden: http://www.wi.hs-wismar.de/~laemmel/Sonstiges/Frege/frege.html. Hervorzuheben
ist durch mich als Informatiker (Prof. em. der Uni Erlangen-Nürnberg) die
enorme Bedeutung Freges für die Elektronische Datenverarbeitung. Ohne
Freges Logik gäbe es zum Beispiel keine Suchmaschine à la Google; und diesen
Brief könnte ich Ihnen ohne die Fregeschen Grundlagen auch nicht so
schreiben.
Mein
Vorschlag: Umbenennung der „Stadt Wismar“ in „Fregestadt Wismar“.
Ich sollte begründen, weshalb dieser Vorschlag Erfolg haben könnte: Es gibt diverse schmückende Attribute für Städte, die auf Besonderheiten hinweisen wollen. Seit meiner Emeritierung lebe ich in Darmstadt, eine Stadt, die sich seit einigen Jahren wegen des enormen wissenschaftlichen Potenzials „intra mures“ nun „Wissenschaftsstadt Darmstadt“ nennt, ein Titel, der ihr von der Landesregierung in Wiesbaden verliehen wurde. In Mecklenburg-Vorpommern gibt es die „Reuterstadt Stavenhagen“. In meiner Heimat in Westfalen ziert sich Lennep seit langem schon mit dem Namen „Röntgenstadt Lennep“. Auffallend ist, dass offensichtlich nur kleinere Städte bei einer Auszeichnung zur Debatte stehen. Zudem muss häufig eine berühmte, einzigartige Person zur Auszeichnung herangezogen werden. Unmöglich wäre es z.B., von der Goethestadt Frankfurt, von der Dieselstadt München oder Leibnizstadt Hannover zu sprechen. Die Großen sind übersättigt und bedürfen nicht einer besonderen Auszeichnung. Die stehen wie Götter am Himmel und lächeln milde.
Es gibt
kompetentere Leute als ich es bin, um über die Bedeutung Freges zu
urteilen. Mein Kollege Christian Thiel in Erlangen von der Philosophischen
Fakultät hat mich eigentlich in Sachen Frege immer belehrt. Das Problem, das
vorliegt, ist aber eigentlich im Wesentlichen politisch.
Was hat der
Denkmalschutz damit zu tun? Es gibt zwei Arten von Denkmälern, sichtbare
und unsichtbare. Die Deutsche Stiftung Denkmalschutz (DSD) beschäftigt sich
ausschließlich mit sichtbaren Denkmälern. Warum, so lautet meine Frage, sollte
der sichtbare Denkmalschutz, die DSD, nicht im Huckepack auch den unsichtbaren
Denkmalschutz fördern. Denkmal
heißt wörtlich: ein Mal (= Zeichen) zum Denken. Logik ist nun Denken in
Reinkultur. Wenn nun einer der größten Logiker aller Zeiten zur Verfügung
steht, warum sollte man ihn nicht zu einem Denkmal empor stilisieren, um ihn
auch sichtbar zu machen? Das ist der Punkt, den ich machen will.
Mit freundlichen Grüßen Ihr H. Wedekind
Nachbemerkung
Was
immer dieser Blogger tun kann, um die obige Initiative zu unterstützen, tue ich gerne.
Vielleicht haben die Leserinnen und Leser hilfreiche Ideen. Eine
Unterschriftensammlung zum Beispiel ließe ich leicht organisieren.
Am 9.6.2012 schickte Hartmut Wedekind folgenden Nachtrag:
Ich kann
doch schon recht gut mit meinem neuen iPhone umgehen ̶ so auch jetzt,
letzte Woche auf der Backsteingotik-Tour mit der DSD (Deutsche Stiftung
Denkmalschutz) in Wismar (siehe Anhang). Man muss nicht erst 20 sein, 57 Jahre
später geht das auch noch.
„Damit die Vergangenheit eine Zukunft hat“ lautet
der Wahrspruch der DSD, leider nur zuständig für sichtbare Denkmäler. Der
Wahrspruch gilt aber auch für unsichtbare Denkmäler, dazu gehört aber,
mit Sicherheit, auch die Logik mit ihren prominentesten Vertretern. Es
muss nicht alles aus Stein mit oder ohne Farbe sein, um ein Denk-Mal, ein
Mal zum Denken, für uns darzustellen.
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