Am Tag Der Deutschen Einheit, dem 3. 10. 2019, verstarb Hans Diel.
Sein Tod kam nicht überraschend, seit vor einem halben Jahr ein sehr
fortgeschrittenes Stadium von Lungenkrebs diagnostiziert wurde. Mit Hans Diel verlässt
mich ein langjähriger Kollege und guter Freund. Ich möchte seiner auf eine sehr
persönliche Art gedenken. Nach Manfred
Roux gedenke ich hiermit eines zweiten ehemaligen Firmenkollegen, mit
dem ich im Ruhestand intensiven Kontakt pflegte. Wir lebten alle drei als
Nachbarn im gleichen Stadtteil.
Hans
Diel 2013
Jugend und Studium
Hans Diel wurde in Scheidt in der Nähe von Saarbrücken geboren,
und zwar am 27.4.1942. Dort besuchte er Grundschule und Gymnasium. Zu seinen
Geschwistern und Verwandten, die im Saarland wohnten, pflegte er sein Leben
lang Kontakt. Erste Computer-Erfahrungen gewann Hans Diel während seiner
Stationierung bei einer Nachrichteneinheit der Bundeswehr in Meppen. Nach
seiner Bundeswehrzeit studierte er Maschinenbau an der Fachhochschule
Saarbrücken.
IBM-Zeit
Hans Diel wurde 1966 für das PL/I-Compilerprojekt der IBM im Labor
Böblingen eingestellt. Im Interview beeindruckte er als FH-Ingenieur deshalb
besonders, weil er sich über Alan Turing, die Turing-Maschine und den damit
verbundenen Berechenbarkeitsbegriff ausließ. Diel begann in der
Compiler-Entwicklung, trug aber später zu diversen anderen Projekten bei.
Mit
Kollegen Heinz Sagl aus der PL/I-Zeit
Hans Diel hat sich durch Selbststudium und Kurse stetig
weitergebildet und besaß einen guten Überblick über das gesamte Gebiet der
System-Software. Er kannte sich bei Programmiersprachen und Programmiermethoden
ebenso aus wie bei Datenbanken und Betriebssystemen. Er nahm daher an einer
Reihe von Studienprojekten teil, aus denen neue Produkte entstanden. Mehrmals
übernahm er auch die Entwurfsarbeit. Mehrere Böblinger Produkte trugen quasi seine
technische Handschrift.
Übersicht Böblinger Software-Entwicklung vor 1996
In bester Erinnerung ist für viele Ex-Kollegen das Projekt ScreenView, das er maßgeblich gestaltete. Mit ScreeView konnte die Gerätekonfiguration eines MVS-Systems gleichzeitig auf mehrere Weisen dargestellt werden. Wird eine davon vom Nutzer am Bildschirm durch graphische Manipulation verändert, wirkt sich das auf alle (auch die nicht dargestellten) Sichten aus. ScreenView war als Oberfläche (engl. Frontend) zu HCD implementiert. Der größte Teil der ScreenView-Funktionen war nicht auf dem MVS-System selbst realisiert, sondern auf einem vorgeschalteten PC unter OS/2. Dies stellte damals eine neuartige Software-Struktur dar, bei der die Funktionen über mehrere Systeme verteilt waren.
Geradezu im Gegensatz zu seiner fachlichen Kreativität und
Vielseitigkeit stand die Bescheidenheit und Zurückhaltung in seinem Auftreten.
Er begegnete allen Kolleginnen und Kollegen stets freundlich und ausgeglichen.
Wer sein Freund wurde, das entschied sich erst in einer längeren Zusammenarbeit
Mit
Kollegen Gerhard Schimpf aus der DOS/VS-Zeit
Er blieb bis 1996, also 30 Jahre lang, der Softwareentwicklung
treu. Während dieser Zeit gelang es ihm – was für einen Entwickler nicht
selbstverständlich ist − zahlreiche wissenschaftliche Arbeiten in
wissenschaftlichen Zeitschriften oder auf Fachtagungen zu veröffentlichen. Sie
befassten sich mit den Schwerpunkten Parallel Processing (auch Parallel Logic
Programming) und User Interface Management. Er fand Anerkennung für seine
Arbeiten durch Ernennung zum Mitglied der IBM Academy of Technology. Seine
Veröffentlichungen zu Software-Themen umfassen den Zeitraum von 30 Jahren. Die
Liste entstammt seiner Homepage und ist hier vollständig wiedergegeben.
Veröffentlichungen
über Software-Themen
Seit 1996 war Hans Diel freiberuflich als Software-Berater und
-Entwickler tätig. Dabei entstand auch die Arbeit zu Intelligent Java Business
Objects. Hans Diel hatte einige Aufträge im Banken- und Versorgungsbereich.
Quantenphysik – ein Hobby ohne Gleichen
Als großes Hobby betrieb Hans Diel diverse Studien zur
Quantenphysik. Anstatt die Ansätze stümperhaft nachzuempfinden zitiere ich eine
Beschreibung, die er im Internet selbst gibt:
Meine Arbeit begann mit dem Versuch, ein umfassendes
Computermodell der Quantentheorie (QT) zu entwickeln, das die Simulation der
wichtigsten QT- (Gedanken-) Experimente ermöglicht. Bald musste ich erkennen,
dass die Machbarkeit eines solchen QT-Computermodells nicht (wie erwartet)
durch die seltsame und mysteriöse Natur von QT, sondern durch die vielen vagen
und mehrdeutigen Formulierungen der Theorie beeinträchtigt wird. Die
aufgetretenen Probleme (beschrieben in [1], [2], [14] und [15]) führen zu der
Schlussfolgerung, dass die offensichtlichen Mängel von QT (nur?) durch die Bereitstellung
eines kausalen QT-Modells (einschließlich Quantenfeldtheorie (QFT)) behoben werden könnten. und dass die Machbarkeit der Konstruktion eines
Kausalmodells ein Kriterium für die Vollständigkeit einer physikalischen
Theorie im Allgemeinen sein kann.
Die Entwicklung eines Kausalmodells für QT / QFT begann mit einem
Vorschlag für eine klare (dh formale) Definition eines „Kausalmodells“ (siehe
[16], [17]) und wurde mit der Entwicklung von (1) a fortgesetzt
"Funktionales" Modell des QT-Messprozesses (siehe [5] und [6]) und
(2) ein Computermodell von QFT (siehe [7]). Die Arbeit wurde von einer Reihe
von Veröffentlichungen begleitet (siehe [3], [4], [8], [9], [10], [11], [12],
[13], [19] und [20]) ]) und enthielt eine Reihe von Verfeinerungsschritten.
Als (bislang) jüngsten Verfeinerungsschritt stellte ich fest, dass
mein Kausalmodell von QT / QFT eine Grundlage im Sinne eines Kausalmodells der
Raumzeitdynamik benötigt. Als wiederholte Überraschung stellte ich fest, dass
auch ein kausales Modell der Raumzeitdynamik nicht direkt aus der
Standardtheorie der Raumzeit abgeleitet werden kann, d. h. aus der allgemeinen
Relativitätstheorie. Verfeinerungen und Interpretationen mussten hinzugefügt
werden, um ein geeignetes kausales Modell der Raumzeitdynamik zu erhalten
(siehe [18], [21], [22]). Im Modell besteht der Raum aus einer Menge von
Raumpunkten, wobei jeder Raumpunkt über "Verbindungen" mit einer
(kleinen) Anzahl benachbarter Raumpunkte verbunden ist. Die Prozesse der
Raumzeitdynamik (z. B. das Hervortreten des Raums und die Ausbreitung von
Raumänderungen) führen zu einer Verteilung und Dichte der miteinander
verbundenen Raumpunkte, die eine gekrümmte diskrete Raumzeit gemäß der
allgemeinen Relativitätstheorie darstellen. Das kombinierte Modell von Raumzeitdynamik
und QT / QFT ermöglicht neue Lösungen für noch kontroverse Themen in QT / QFT
und in der Kosmologie. Weitere Arbeiten, einschließlich Computersimulationen,
sind erforderlich, um die Hauptbereiche möglicher neuer Lösungen weiter zu
verfolgen und zu verfeinern:
(1) Verfeinerung des Modells der Quanten- (Feld-) Theorie in
gekrümmter diskreter Raumzeit, insbesondere eine Verfeinerung der
"Quantenschleifenprozesse".
(2) Einige Überprüfungen der möglichen Auswirkungen des vorgeschlagenen Modells der Raumzeitdynamik auf die Kosmologie, insbesondere die mögliche Erklärung der "flachen Galaxienrotationskurven" durch "Gravitationslängendilatationen".
(3) Verfeinerung des Versuchs, die Nichtlokalitäten in QT / QFT, insbesondere den Zusammenbruch der Wellenfunktion, durch kollektive Verhaltensprozesse der Elementareinheiten der Raumzeit zu erklären.
(2) Einige Überprüfungen der möglichen Auswirkungen des vorgeschlagenen Modells der Raumzeitdynamik auf die Kosmologie, insbesondere die mögliche Erklärung der "flachen Galaxienrotationskurven" durch "Gravitationslängendilatationen".
(3) Verfeinerung des Versuchs, die Nichtlokalitäten in QT / QFT, insbesondere den Zusammenbruch der Wellenfunktion, durch kollektive Verhaltensprozesse der Elementareinheiten der Raumzeit zu erklären.
Ausgewählte
Veröffentlichungen zur Quantenphysik
Die Beschäftigung mit der Quantenphysik muss bei Hans Diel ihren
Ursprung in der Studienzeit gehabt haben. Richtig zur Entfaltung kam das Hobby
allerdings erst während der Rentnerzeit. Er veröffentlichte nicht nur in
internationalen Fachzeitschriften, hin und wieder trug er auch auf Tagungen
vor. Manchmal sagte er auch eine zugesagte Teilnahme ab, nicht weil es ihm zu viel
Geld sondern zu viel Zeit kostete.
Senioren-Freundeskreis
In der Zeit ab 2005 entwickelte sich eine sehr intensive
elektronische Korrespondenz zwischen einem Rentner-Kleeblatt, bestehend aus
Hans Diel, Peter Hiemann (in Grasse) und dem Verwalter dieses Blogs (Pseudonym
Bertal Dresen).
Von
Hans Diel verfasste Beiträge in Bertals Blog
Viele der Dinge, die einen der drei oder alle drei interessierten,
fanden ihren Niederschlag in dem von diesem Autor betriebenen Blog. Von den
heute rund 600 Beitragen stammt etwa ein Dutzend von Hans Diel. Seine Kompetenz
beim Thema Physik war für uns unbestritten.
Die beigefügte Liste ist leider nicht aktiv, d.h. die Beiträge können
nicht angeklickt und gelesen werden. Dasselbe ist bei der von Hans Diel
zusammengestellten Liste seiner Physik-Veröffentlichungen der Fall,
Persönliche Kontakte
Während der letzten 10-15 Jahre hat sich unser Kontakt sehr vertieft.
Wir telefonierten mindestens einmal pro Woche und schrieben uns zusätzlich eMails. Zusammen mögen es etwa 500-700 eMails gewesen sein. Hans Diel schickte mir
fast alle seine Veröffentlichungen vorab, damit ich sie kritisch lese. Sehr oft
entsponn sich daraus eine Diskussion, die schon mal über mehrere Tage andauerte.
Da ich selbst in meinen Bewegungen etwas gehemmt bin, machte es
sich Hans Diel zur Gewohnheit, mich zu besuchen. Als der jüngere von uns beiden
bot er auch diverse Hilfsdienste an. Etwa alle 2-3 Wochen erschien er mit
einigen Kuchenstücken oder andern Backwaren bei mir zuhause. Wir konnten dann
unsere anstehenden Projekte diskutieren, tauschten uns aber auch über Politik
und Zeitgeschehen aus. Nicht nur die englische und die amerikanische Politik
boten ja reichlich Stoff, aber auch die Entwicklungen in Deutschland und Europa
gaben immer wieder Anlass zur Diskussion. Dieser Dialog wird mir in Zukunft fehlen. Die damit verbundene Zuwendung ist nicht zu ersetzen. Sie bereicherte unser beider Leben.
Dramatisches Ende
Die Idylle, als die Hans Diel sein Altern empfand, erfuhr vor
einen halben Jahr ein jähes Ende. Es begann damit, dass seine Gattin stürzte,
während sie ihn über die Balkontür ins Haus lassen wollte. Frau Diel hat sich
von diesem Unfall nie mehr richtig erholt.
Hans Diel klagte über zunehmende Atembeschwerden, was ihn dazu
bewegte, diverse Ärzte um Rat zu bitten. Leider war es das Ergebnis, dass ein
fortgeschrittenes Stadium von Lungenkrebs als die Ursache der Atembeschwerden
erkannt wurde. Zur notwendigen Chemotherapie begab sich Hans Diel in eine
Klinik in Bad Urach, wo seine Tochter als Ärztin tätig ist. Leider hatte die
Behandlung nicht den erhofften Erfolg, da außer der Lungen- auch eine Herzinsuffizienz
eintrat.
Nachtrag vom 16.10. 2019
Heute Mittag fand Hans Diels Beisetzung statt, und zwar auf dem Burghalden-Friedhof in Sindelfingen. Da ich selbst nicht teilnahm und die geplante Teilnahme meiner Tochter wegen Erkrankung ausfiel, kann ich leider keinen Bericht geben.
Nachtrag vom 22. 10. 2019
Heute Mittag fand Hans Diels Beisetzung statt, und zwar auf dem Burghalden-Friedhof in Sindelfingen. Da ich selbst nicht teilnahm und die geplante Teilnahme meiner Tochter wegen Erkrankung ausfiel, kann ich leider keinen Bericht geben.
Nachtrag vom 22. 10. 2019
Ich sage Ihnen herzlich DANKE für Ihren schönen Beitrag zum Tode von Herrn Diel. Er war für mich ein vorbildlicher, bescheidener und stets hilfsbereiter Kollege. Und er war so gescheit !!
Ich habe an der Beisetzung seiner Urne teilgenommen, weil ich ihm das "letzte Geleit" geben wollte. Der Pfarrer hat die Feier wunderbar gestaltet und unter das Thema "NULL oder EINS" gestellt. Das heißt, dass Herr Diel stets ganz konsequent gelebt, geliebt und gearbeitet hat, wenn er sich für die "EINS" entschieden hatte. Kollegen habe ich nur wenige gesehen (erkannt); der Trauerraum war aber voll besucht. Ich werde Herrn Diel vermissen - wie Sie doch auch.
Mit herzlichen Grüßen, Ihre Ursula Edelmann-Seiler
Nachtrag vom 23. 10. 2019
Gerne nutzen wir Ihren Blog, um Danke zu sagen. Danke für die vielen Mails, Briefe, Karten und WhatsApp-Nachrichten, die uns in diesen Tagen erreichten, für die vielen tröstenden Worte, Umarmungen und Gespräche, und natürlich auch die Kommentare in Ihrem Blog, die die Wertschätzung für unseren Vater zeigten.
Ein Dank auch an alle, die sich für den Abschied auf dem Burghaldenfriedhof Zeit nahmen und teilweise beträchtliche Anfahrtswege auf sich nahmen. Ein besonderer Dank gilt Pastoralreferent Dr. Michael Schindler, ein Jugendfreund von
mir, der meinen Vater seit seiner Kindheit kannte, und der für die Trauerfeier extra aus Oberschwaben anreiste. In seine lebhaften Trauerrede verwendete er das Bild des Computers, um den Trauergästen das Leben meines Vaters noch ein Stückchen näher zu bringen: Die Welt des Computers besteht aus lauter Nullen und Einsen. 0 und 1 prägte auch das Wesen meines Vaters - ganz oder gar nicht. Wenn er sich für etwas entschied, tat er es voll und ganz, mit voller Hingabe und Leidenschaft.
Leider war es mir an dem Tag nicht vergönnt, alle Anwesenden auf dem Friedhof persönlich zu begrüßen, da meine Mutter nicht so lange stehen konnte, und wir nach dem Abschied am Grab sogleich den Weg ins Parkrestaurant antraten. Lieber Herr Endres, im Namen unserer Famliie bedanke ich mich noch einmal ausdrücklich für die freundschaftliche Begleitung und sende herzliche Grüße, Chrstoph Diel, Langenfeld.
Peter Hiemann aus Grasse schrieb: ich bin sprachlos, wie schnell unserer gemeinsamer Freund nach der Krebsdiagnose uns verlassen musste. Mein mitfühlendes Beileid gilt seiner hinterbliebene Frau, die es selber aus gesundheitlichen Gründen schon so schwer hat. Die schmerzlichen 'Einschläge' kommen immer näher.
AntwortenLöschenGerhard Schimpf aus Pforzheim schrieb: Wieder eine dieser traurigen Nachrichten aus unserer Alterskohorte, mit denen wir zur Zeit umgehen müssen. Vielen Dank, dass Sie mich informiert haben und im Nachhinein finde ich es schön, dass wir Herrn Diel an Ihrem 85. Geburtstag sehen konnten.
AntwortenLöschenOtto Buchegger aus Tübingen schrieb: Hans Diel wird mir immer in guter Erinnerung bleiben. Ich habe oft mit ihm gesprochen, ihn bewundert, aber auch bedauert, dass sein Genie in unserer Firma nicht so richtig zum Leuchten kam.
AntwortenLöschenKristof Klöckner aus Ridgefield, CT, schrieb: Das tut mir sehr leid. Ich habe nur zeitweise mit Herrn Diel zusammengearbeitet, war aber beeindruckt von ihm als Kollegen.
AntwortenLöschenCalvin Arnason aus Portland. OR, schrieb; Es freut mich zu hoeren, dass Sie eine so glueckliche Freundschaft in diesen letzten Jahren genossen. I remember him as dispassionate yet engaged and personable ... a rare combination.
AntwortenLöschenHans-Joachim Huberti aus Kaiserslautern schrieb: Bei meinem Besuch vorigen Donnerstag hattest Du mir von der schweren Erkrankung Deines Kollegen Diel erzählt, der ja auch noch ein Landsmann von uns beiden war. Es hat mich schon erschüttert zu erfahren, dass er an genau diesem Tag gestorben ist. Mit Deinem Blog-Beitrag hast Du ihm ein beachtenswertes Denkmal gesetzt und der Nachwelt diesen großartigen Kollegen vor Augen geführt. R I P.
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