Der nachfolgende kurze Text ging heute als Leserbrief zu Informatik Spektrum 43,4 (August 2020) an den Springer-Verlag. Bis zu seinen Erscheinen kann noch einige Zeit vergehen. Er kann auch gar nicht erscheinen.
Mit großem Interesse las ich die Beiträge in der Jubiläumsausgabe des Informatik-Spektrums. Lediglich der Beitrag des Kollegen Wolfgang Reisig reizt mich zu einer Reaktion. Der Beitrag hat den Titel Informatik – eine eigenständige Wissenschaft? Durch zwei darin behandelte Unterthemen fühlte ich mich direkt angesprochen. Es sind dies die Abschnitte 4 (Invarianten in der Informatik) und 5 (Informationsbegriff). In Beidem kommt ein grundlegender Unterschied zwischen Theoretikern und Praktikern zum Vorschein, was die Herangehensweise an die Informatik betrifft. Theoretiker suchen in der Informatik manchmal Dinge, die für Naturwissenschaften Sinn machen, aber in einer Ingenieurwissenschaft keine Relevanz haben.
Thema Invarianten
Reisig
empfiehlt die Suche nach sogenannten Invarianten bei den sieben gelisteten
Aufgaben:
- ein Reisebüro eine Reise bucht,
- ein Bankkunde an einem Automaten Bargeld abhebt,
- eine Lebensversicherung einen bestehenden Vertrag auf eine neue Hardware umstellt,
- eine Autoversicherung einen Schaden reguliert
- ein Rechenzentrum das Wetter von morgen berechnet,
- ein Betriebssystem den Speicher aufräumt,
- ein Compiler ein Programm übersetzt.
Natürlich ist es sinnvoll, ja notwendig ein gemeinsames grammatikalisches Modell zu verwenden, damit eine Übertragung auf Programmierkonzepte möglich ist. Dass da viel mehr dahinter stecken könnte als das, was zum Modellieren und Programmieren nützlich sein könnte, leuchtet mir nicht ein. Ich weiß auch nicht, wozu es nützlich wäre. Reisig spekuliert irgendwie drauf los: ‚Derzeit ist das alles Spekulation; es loht aber, systematisch nach Modellierungstechniken zu suchen, die im Vergleich mit bisherigen Konzepten weit abstraktere und weniger naheliegende, aber dennoch intuitiv verständliche Begriffe und Invarianten verwenden.‘‘ Nach meiner Meinung lohnt sich das wirklich nicht. Wir sollten uns davor hüten, andere Kollegen – vor allem jüngere – in die Irre zu leiten.
Thema Informationsbegriff
Reisig schreibt: ‚Eine konstruktive Definition eines solchen Informationsbegriffs ist nicht in Sicht…. Man sollte präzise formulieren können, was genau sich ändert und was gleich bleibt beim Kopieren, Löschen oder Zusammenfügen von Informationen oder Dokumenten. …Eine weitere interessante Eigenschaft eines solchen Informationsbegriffs sind informationserhaltende Operationen: … Vielleicht gelingt die Charakterisierung spezieller Informationsbegriffe über die Operationen, die mit ihnen in einem jeweils gegebenen Kontext möglich oder erlaubt sind.‘
Auch hier kann ich Reisig nicht folgen. Für mich ist Information das Tupel bestehend aus Benennendem und Benanntem [1]. Auch mit vielen anderen Informationsbegriffen konnte ich bisher nichts anfangen. Wenn einer der beiden Konstituenten des Tupels fehlt, oder falsch geschrieben wurde, ist die Definition unzutreffend und unzulässig. Das mag einem Theoretiker missfallen, entspricht aber der Realität am meisten.
Referenz
1. Informationsbegriff nach Hans Diel, Albert Endres und Peter Hiemann:
https://bertalsblog.blogspot.com/2011/09/information-in-der-informatik-erneuter_12.html
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