Gestern war ein sehr schöner Sommertag, aber leider zu heiß, um ihn auf
dem Balkon zu verbringen. Ich schaute mir deshalb auf meinem Tablet bei arte die sechste
Folge einer 14-teiligen Serie über den Zweiten Weltkrieg an. Diese Folge erinnerte
an zwei Schlachten des Frühjahrs 1944, die von Anzio und Monte Cassino. Für
mich hat das Wort Schlachten immer eine doppelte Bedeutung. Es ist da, wo
Heldensagen entstehen, und da, wo Haustiere und Vieh ihr Leben lassen. Aus der Distanz von nahezu 70 Jahren muss ich sagen, ̶
auf die Gefahr hin, als Pazifist beschimpft zu werden ̶ es war an beiden Stellen ein grausames
Abschlachten, ein Verheizen von Menschenleben.
Mit beiden Schlachtorten hatte ich mich zum ersten Mal beschäftigt, ehe
meine Frau und ich im September 2002 eine Reise durch die Provinz Latium
machten. Ich zitiere wieder aus meinen Reiseberichten [1]. Wir waren in Rom
gelandet, hatten einen Leihwagen übernommen…
… und fuhren in Richtung Ostia los. Wir
wunderten uns, dass hier kaum noch Leute am Strand waren, und fuhren gleich
weiter bis Anzio. Erst bei der Vorbereitung der Reise war ich darauf gestoßen,
dass dieser Ort eine große historische Bedeutung erlangt hat, und zwar während
des zweiten Weltkriegs.
Hafen von Anzio
Seit der Landung der alliierten Truppen
in Salerno im September 1943 verfolgte Churchill die Idee, eine zweite Front in
Italien zu eröffnen. Am 22. Januar 1944 gingen deshalb amerikanische und
englische Streitkräfte bei Anzio und Nettuno hinter den deutschen Linien an
Land. Den deutschen Verteidigern gelang es jedoch den Brückenkopf abzuriegeln.
Der Kampf dauerte vier Monate und endete mit dem Rückzug der Alliierten am 23.
Mai 1944. Churchill geriet wegen dieses Unternehmens in scharfe Kritik. Einer
der beteiligten Offiziere (General Lucas) meinte: ‚Das Ganze riecht stark nach
Gallipoli‘. Bereits 1914 hatte Churchill dieselbe Idee propagiert, und zwar
diesmal am Bosporus eine zweite Front zu eröffnen, und erlitt fürchterlichen
Schiffbruch.
Rathaus von Anzio
Anzio war aus
alliierter Sicht ein einziges Desaster gewesen. Es gab über 10.000 Tote und
etwa 30.000 Verwundete. Fast die gleiche Anzahl von Soldaten hatte psychische
Verletzungen erlitten. Die deutschen Verluste waren relativ gering. Den
amerikanischen Kommandierenden wird der Vorwurf gemacht, zu vorsichtig gewesen
zu sein. Wären sie gleich nach der Landung weiter vorgestoßen, statt sich
einzubuddeln, wären sie vermutlich auf wenig deutschen Widerstand gestoßen. So
jedoch gaben sie der deutschen Verteidigung Gelegenheit, sich zu
reorganisieren.
Churchill lag im Januar 1944 im Krankenhaus in Marrakesch. Auf dem Weg
zurück von der Konferenz von Teheran hatte er sich eine Lungenentzündung
zugezogen. In seinen Memoiren schreibt er später. ‚Anzio war mein schlimmster
Augenblick des Krieges‘.
Meine Frau und ich fuhren damals an der Küste
entlang nach Süden und besuchten Terracina und Gaeta. Den südlichsten Punkt dieser Reise erreichten
wir in der Stadt Cassino.
Berühmter als die Stadt Cassino ist Berg
Monte Cassino, der 520 Meter über der Stadt aufragt. Dieser ist Teil eines
nördlich der Stadt endenden Ausläufers der Abruzzen. Hier gründete Benedikt von
Nursia im Jahre 529 an der Stelle einer früheren römischen Befestigungsanlage
das erste Kloster des nach ihm benannten Ordens. Die Gebeine des Gründers
liegen in der Krypta des Klosters begraben. Das Kloster wurde zuerst von den Langobarden
(577) und später von den Sarazenen (883) zerstört, aber jedes Mal wieder aufgebaut.
Monte Cassino vom Tal aus
Neben der frühmittelalterlichen
Mönchtumsgeschichte verbinden wir heute eher ein anderes, sehr dramatisches
Ereignis aus dem Zweiten Weltkrieg mit diesem Berg. Ende 1943 kam der alliierte
Vormarsch in Italien an der von der deutschen Wehrmacht quer durch das Land
gezogenen Verteidigungslinie (Gustav-Linie) zum Stehen. Im Westen ging es
besonders darum, den Vorstoß der Alliierten durch das Liri-Tal nach Rom zu
verhindern. Mit Rücksicht auf die historische Bedeutung des Kulturdenkmals
hatte der deutsche Oberbefehlshaber in Italien, General Kesselring, die Miteinbeziehung des Klosters in die Verteidigungsstellungen
zunächst verboten.
Blick auf Stadt Cassino
Am 17. Januar 1944 begann der erste der
drei erfolglosen alliierten Frontalangriffe auf die deutschen Stellungen um die
Stadt Cassino und den Berggipfel. Die verbissenen Grabenkämpfe kosteten
Verteidiger wie Angreifer unzählige Opfer. Zum Auftakt der zweiten
Angriffswelle verlangte ihr Kommandeur (der neuseeländische General Freyberg)
daher die massive Bombardierung der Verteidigungsstellungen und des Klosters,
hinter dessen Mauern er eine deutsche Funk- und Aufklärungsstation vermutete.
Durch den Angriff amerikanischen Bomber am 15. Februar 1944 wurde das Kloster
schwer beschädigt. Bei diesem Angriff kamen 250 Menschen ums Leben, zum großen
Teil Flüchtlinge, die Schutz im Kloster gesucht hatten.
Hinterlassenes Kriegsgerät
im Stadtgebiet
Erst nach der Bombardierung bezogen
deutsche Fallschirmjäger die Ruinen des Klosters in ihre
Verteidigungsstellungen mit ein, die auch in den nächsten Monaten für die
Angreifer uneinnehmbar blieben. Erst angesichts der prekären militärischen Situation
in Italien gab General Kesselring am 17. Mai den Rückzugsbefehl. Dies
ermöglichte exilpolnischen Verbänden einen Tag später die Einnahme des
Klosters. Die viermonatige Schlacht um Monte Cassino kostete rund 20.000
deutschen und 12.000 alliierten Soldaten das Leben. Im Waffenmuseum des
Klosters fiel mir auf, dass die Polen den Tag des Sieges um zwei Monate (auf
den 18. März) vorverlegt hatten. In der Stadt Cassino stehen an einer zentralen
Kreuzung sowohl ein deutscher Panzer wie eine Panzerabwehrkanone. Auf dem
deutschen Soldatenfriedhof in Caira (5 km von Cassino entfernt) liegen genau
20.059 Gefallene.
Deutscher Soldaten-Friedhof von
Caira
Im Archäologischen Museum von Cassino
gibt es Spuren sowohl der Volsker wie der Römer. Das Amphitheater hat eine über
zwei Meter lange Außenmauer. So wie die Alliierten Ende Mai 1944 bewegten wir
uns anschließend zügig durch das Liri-Tal in Richtung Rom. In dem Ort Aquino,
dem Geburtsort des Scholastikers Thomas, versuchten wir gar nicht erst zu
halten.
Polnischer Kriegerfriedhof
am Monte Cassino
Am Monte Cassino traf es neben Franzosen und Polen hauptsächlich Australier und Neuseeländer. Das Kloster wurde vollständig wieder aufgebaut und wird als
Weltkulturerbe von Pilgern und Touristen besucht. Im Frühjahr 1944 war Monte
Cassino ein Eckpfeiler der Verteidigungslinie, die zwischen Adria und
Tyrrhenischem Meer den Vormarsch der Alliierten aufhalten sollte. Nachdem
dieses Hindernis gefallen war, gab es ein Wettrennen
der Alliierten auf Rom. Rom fiel kampflos am 4. Juni 1944.
Die beiden Gemetzel fanden nur
Wochen vor der Invasion in der Normandie (6. Juni) und dem Attentat auf Hitler (20.
Juli) statt. Im Hinblick auf diese Ereignisse war der deutsche Widerstand
in Italien erst recht sinnlos. Die elfmonatige Agonie des Nazi-Regimes hatte Ian Kershaw kürzlich noch einmal wissenschaflich analysiert.
In dem gezeigten Film werden persönliche
Schicksale eingebunden. Im Falle der Schlacht von Anzio ist es das Schicksal
eines italienisch-stämmigen Soldaten aus Connecticut. Er hatte gehofft, an seinem 21.
Geburtstag in Rom einzuziehen. Leider wurde er eines von etwa 900 Todesopfern,
die sein Regiment bei Anzio erlitt. Ich finde es sehr gut, auch diesen Aspekt des Krieges zu zeigen.
Es gibt keine Kriege ohne persönliches Leid. Das sehen wir gerade in Syrien,
und sahen es vorher in Afghanistan und im Irak.
1.
Reiseberichte
enthalten auf der CD Gunst und Kunst des
Reisens aus dem Jahre 2009. Die CD ist auf der Homepage ihres Autors im Abschnitt Media beschrieben
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